Bloß keine Hektik: In Schrittgeschwindigkeit geht es gemächlich durch das Burgund. Foto: Recken

Hausbootfahren ist anders als Urlaub an Land. Wer auf dem Canal du Centre durchs südliche Burgund schippert, erlebt einen Kurzurlaub in der entschleunigten Version.

In der Basis des Hausbootanbieters Locaboat in Saint-Léger-sur-Dheune wird das schwimmende Heim auf Zeit bezogen. Im konkreten Fall sind das vier Doppelkabinen, jede mit eigenem Waschbecken, Dusche und elektrischem WC. Ein Wohnkochbereich mit Kühlschrank und Gasherd sowie Ölzentralheizung in allen Kabinen. Maximalbelegung: zwölf Personen. Das Ganze verteilt auf rund 15 Meter Länge, knapp vier Meter Breite, mit einem Tiefgang von etwas über 80 Zentimetern. Die wollen während der folgenden Tage kollisionsfrei durchs Wasser manövriert werden. „Hausbootfahren ist einfach. Es braucht weder einen Bootsführerschein noch Vorerfahrung“, erklärt der Einweiser des Bootsanbieters den Neulingen an Bord und weist sie an, das Boot langsam aus dem Liegeplatz zu steuern. Auf dem Kanal soll ein erstes Wendemanöver geübt werden. „Zuerst müsst ihr das Boot stoppen. Dazu müsst ihr den Gashebel, nach einem kurzen Stopp im Leerlauf, aus dem Vorwärtsgang bis auf Maximalstellung in den Rückwärtsgang ziehen“, erläutert der Bootsprofi, wie ein Wendemanöver eingeleitet wird.

Die Hausbootfahrt beginnt

Die Reise beginnt in Richtung Santenay und schnell verzaubert der Charme des Hausbootfahrens alle an Bord. Gemütlich tuckert der Dieselmotor vor sich hin. Mit einer Geschwindigkeit von fünf bis acht Kilometern pro Stunde gleitet das Hausboot an kräftig-gelb blühenden Rapsfeldern vorbei. In der Ferne sind Weinberge erkennbar. Rechts und links am Kanalufer stehen die Obstbäume in Blüte. Immer wieder geht es vorbei an Hausbooten, die am Kanalufer festgebunden sind. Der Blick auf die vertäuten Boote ist wie eine Fahrt durch eine schwimmende Architekturzeitschrift für alternatives Wohnen. Wer selbst Besitzer eines Hausboots ist, hat sich dort eingerichtet wie im Reihenhäuschen. Der Kugelgrill findet sich ebenso an Bord wie Blumenkästen oder Sofagarnituren auf dem Oberdeck. Auf den französischen Kanälen ist das Anlegen überall erlaubt, auch über Nacht. Was über Nacht an Strom verbraucht wird, stammt aus einem Speicher, der tagsüber per Sonnenkollektoren an Deck und durch den Betrieb des Dieselmotors aufgeladen wurde. In den Häfen kann an 230 Volt Landstrom angedockt oder der Tank für das Wasser an Bord aufgefüllt werden. Der Canal du Centre ist die 114 Kilometer lange Verbindung des Loire-Tals mit der Saône. 61 Schleusen sorgen dafür, dass die Höhenunterschiede per Schiff überwunden werden können. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Vorgängerversion des heutigen Canal du Centre mit Muskelkraft ausgehoben. Eine Vorstellung, die heute fast barbarisch erscheint, wenn man den mal kurvig, mal gerade verlaufenden Kanal befährt und sich vom Zauber der Landschaft gefangen nehmen lässt.

Während der Kanal einst für die Frachtschifffahrt angelegt wurde, sind die Berufsschiffer heute eine immer weniger werdende Minderheit. Die Freizeitkapitäne haben den Canal du Centre erobert. Das Bootfahren auf dem Kanal gilt als die einfachere Version der Flussschifffahrt. Die Kanäle sind weniger befahren, die Strömung fehlt und das Wasser hat in Ufernähe die gleiche Tiefe wie in der Kanalmitte. Auf dieser Tour entfällt der geplante Abstecher auf die Saône. Der einsetzende Dauerregen hat der Urlaubsplanung ein Schnippchen geschlagen. Die Neulinge an Bord lernen Lektion eins in Sachen Hausbootfahren: Flexibilität ist gefragt. Lektion zwei folgt: Hausbootfahrer sind hilfsbereit und gesellig. Der für die Übernachtung vorgesehene Hafen kann wegen des Hochwassers nicht angefahren werden. Am Ausweichhafen hat das einzige Restaurant im Ort geschlossen. Die Vorräte an Bord reichen zwar für ein Abendessen, aber der Burgunder Rotwein wird wohl ein Traum bleiben. Bis die Crew die beiden Dänen vom Hausboot nebenan kennenlernt. Die helfen nicht nur mit einer Flasche Wein aus, sondern kommen später selbst an Bord. Der Dauerregen am Folgetag lehrt die Hausbootfahrer Lektion drei: Wetterfeste Kleidung ist ein Muss, und Hausbootfahren kann auch bei Regen amüsant sein. Es geht durch zahlreiche Schleusen. Immer wieder heißt es: raus an Deck, die Leinen an den Pollern festgemacht, das Boot festgehalten, damit es wie vorgesehen an seinem Platz bleibt. Die Einweisung vor Fahrtbeginn erweist sich gerade in den Schleusen als durchaus sinnvoll. Stopp heißt auf einem Boot nicht nur Gas weg, sondern volle Pulle rückwärts.