Der nächste Wahlsieg: Emmanuel Macron. Foto: AFP

Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat die erste Runde der Parlamentswahl souverän gewonnen. Sein sozialliberales Lager wird mit Abstand stärkste Kraft.

Paris - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Bewegung La République en Marche (LRM, Vorwärts die Republik) haben sich in der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen am Sonntag klar durchgesetzt. Laut ersten Hochrechnungen kamen LRM und die mit ihr verbündete Zentrumspartei Modem auf 32 Prozent der Stimmen.

Auf den Plätzen zwei bis fünf folgen deutlich abgeschlagen die konservativen Republikaner und ihre Verbündeten (22 Prozent), der rechtspopulistische Front National (14 Prozent), die linke Bewegung France Insoumise (Unbeugsames Frankreich, elf Prozent) und die Sozialisten (zehn Prozent). In der eine Woche später stattfindenden zweiten Wahlrunde winkt Macrons in der politischen Mitte verankerten Bewegung ein Erdrutschsieg. LRM und ihr Partner dürfen dann auf 390 bis 430 der 577 Mandate hoffen.

Debakel für Traditionsparteien

Für Frankreichs bereits bei den Präsidentschaftswahlen leer ausgegangene Traditionsparteien kommt das Ergebnis einem Debakel gleich. Knapp ein Drittel der Wähler steht noch hinter Konservativen und Sozialisten. Vor fünf Jahren waren es noch 70 Prozent gewesen.

In der zweiten Wahlrunde, wenn nur noch antreten darf, wer in der ersten mindestens 12,5 Prozent der Stimmberechtigten hinter sich gebracht hat, finden Macrons Gefolgsleute geradezu ideale Bedingungen vor. Auf wen sie in ihrem Wahlkreis auch immer treffen mögen: Als in der politischen Mitte verankerte Kandidaten dürften sie weiteren Zulauf verbuchen. Ist der Gegner ein Linker, werden sich konservative gesinnte Franzosen auf die Seite von LRM schlagen. Ist er ein Rechter, dürften Sympathisanten der Linken Macrons Kandidaten ihre Stimme geben.

„Frankreich hat sich zurückgemeldet“

Für den Präsidenten, der das französische Arbeitsrecht liberaler, das Rentensystem gerechter und Europa stärker machen will, heißt das unterm Strich: Die neue Nationalversammlung steht nahezu geschlossen hinter ihm. In ersten Stellungnahmen warnten Politiker der auf die Plätze verwiesenen Parteien davor, Macron einen Blankoscheck auszustellen. Frankreichs neuer Premierminister Edouard Philippe dagegen jubilierte. „Frankreich hat sich zurückgemeldet.“

Historischer Tiefstand bei Wahlbeteilugung

Überschattet wird das für Macron überaus erfreuliche Ergebnis von einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Nur jeder zweite Stimmberechtigte hat am Sonntag das Wahllokal aufgesucht. Noch nie war der Zuspruch bei Parlamentswahlen so gering. 2012 lag die Beteiligung in der ersten Wahlrunde noch bei 57 Prozent.

Kandidaten von Macrons Bewegung La République en Marche erklärten das Desinteresse damit, dass Meinungsforscher ihnen einen ungefährdeten Wahlsieg prophezeit hätten. So mancher Franzose habe sich gesagt, dass sich Macrons Bewegung auch ohne seine Stimme durchsetzen werde. Premierminister Philippe sprach von einer gewissen Wahlmüdigkeit.

Hinzu mögen für LRM weniger schmeichelhafte Gründe kommen. So mag eine Rolle gespielt haben, dass sich der als untadeliger Erneuerer des politischen Lebens angetretene Präsident mit Affären seiner Gefolgsleute konfrontiert sah. Macrons Wohnungsbauminister Richard Ferrand soll 2011 als Direktor des bretonischen Versicherungsvereins seiner Lebensgefährtin gehörende Räume angemietet und aufwendig renoviert haben. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

Konservative und Sozialisten streiten sich

Das Debakel der französischen Traditionsparteien wiederum rührt zu einem erheblichen Teil daher, dass sie weder überzeugendes Führungspersonal noch einen klaren Kurs zu bieten haben. Sowohl Republikaner als auch Sozialisten streiten über die Ausrichtung der Partei. Hier wie da droht der Zerfall.

Während bei den Republikanern ein rechtsnationales Lager gegen ein bürgerlich-liberales antritt, liegen bei den Sozialisten Sozialdemokraten und Altlinke im Clinch. Macron hat den Zerfall der Traditionsparteien vorangetrieben, indem er Konservativen und Sozialisten moderate Mitstreiter abwarb. So hat etwa der Republikaner Bruno Le Maire bei Macron als Wirtschaftsminister angeheuert. Verübelt hat der Wähler dies nicht, im Gegenteil.

So mancher den Traditionsparteien verbundene Franzose ist am Sonntag dem Beispiel der Überläufer gefolgt. Zumal Macron auch noch, wie der Soziologe Gilles Lipovetsky festgestellt hat, durch „Charme, Charisma, Jugend und Schönheit“ besticht.

SPD-Politiker begrüßen Macrons Sieg

Deutsche Politiker begrüßten den klaren Sieg Macrons. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz beglückwünschten Macron am Sonntagabend. Gabriel schrieb auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter, Macron überzeuge „nicht nur in Frankreich, sondern auch in und für Europa!“