In Frankreich kommt ein verlassenes Dorf unter den Hammer. Das Mindestgebot liegt bei 330 000 Euro.

Courbefy - An extravaganten Offerten herrscht auf dem französischen Immobilienmarkt kein Mangel. Um Geld in die leeren Kassen zu spülen, trennt sich der Staat von Gefängnissen und Kasernen, Herrschaftssitzen in der Provinz und Pariser Stadtpalästen. Das wohl ungewöhnlichste „Objekt“ kommt voraussichtlich am Donnerstag unter den Hammer: ein ganzes Dorf nahe Limoges zum Schnäppchenpreis von nur 330 000 Euro. Courbefy heißt das menschenleere Kaff im Departement Haut-Vienne, das sich bei näherem Hinsehen eher als ein Weiler entpuppt. Das Angebot enthält 19 größtenteils baufällige Häuser, einen Tennisplatz, ein vermoderndes Schwimmbad, einige Pferdeställe und jede Menge braches Land. Kurzum: viel totes Kapital – weshalb sich das Käuferinteresse bis vor kurzem arg in Grenzen hielt. „Das macht uns krank“, gesteht der stellvertretende Bürgermeister Bernard Guilhem der Gemeinde Saint-Nicolas-Courbeby der Zeitung „Le Parisien“: „Jedes Mal, wenn ich hier vorbeikomme, habe ich Tränen in den Augen.“ Ginge es nach den Stadtvätern, sollte die Kommune den Weiler erwerben. Doch die Gemeinde ist klamm.

Ende der 70er Jahre verließen die letzten Bewohner Courbefy. In seinen besten Tagen sollen hier, am Rande des Naturparks Périgord-Limousin, 2000 Menschen gelebt haben. Doch die radikale Wandlung Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg – vom verträumt-gemütlichen Agrarland in einen hochmodernen Industriestaat – trieb Millionen Franzosen in die Städte. Buchstäblich auf der Strecke blieb ein Idyll, wie es der poetische Film „Tatis Schützenfest“ verewigt hat. Es sind Bilder voller Wehmut, die auch Rachel und Robert Mallefont, einem älteren Ehepaar, durch den Kopf gehen, wenn sie an das „gute alte“ Courbefy und die ausgelassenen Patronatsfeste ihrer Jugend denken.

Nur feiernde Jugendliche oder Landstreicher

In den 90er Jahren versuchte ein Investoren-Ehepaar, den Ort wiederzubeleben: Das Paar nahm viel Geld in die Hand und versuchte, den Weiler in eine schicke Touristenkolonie zu verwandeln: mit Hotel und Restaurant, Schwimmbad und Tennisplätzen, Reitställen und Ferienwohnungen. Doch das ehrgeizige Projekt rentierte sich zuerst nur in den Sommermonaten und dann schließlich gar nicht mehr. Fast 600.000 Euro waren plötzlich futsch, weshalb auch das Touristenreservat Courbefy sanft entschlief.

Seit 2008 ist der Weiler ein „village fantôme“, ein vermoderndes Geisterdorf, das allenfalls feiernde Jugendliche oder asylsuchende Landstreicher anzieht. Beim ersten Versteigerungstermin am 20. Februar passierte dann das, was alle befürchtet hatten: Es fand sich kein einziger Kaufinteressent. Aber immerhin drang die anrührende Kunde vom sterbenden Dorf in der französischen Provinz via Paris in die ganze Welt. Und plötzlich scheint in der „Causa Courbefy“ doch noch möglich, was niemand mehr für möglich hielt: die wundersame Wiederbelebung. Die Regionalzeitung „La Charente libre“ berichtete am Montag, dass die Berichte über Courbefy ein weltweites Echo ausgelöst hätten. Und nicht nur das. Bei der Hauptgläubigerin, der Bank Crédit Agricole, sollen sich neben etlichen Kaufinteressenten aus dem Großraum Paris sogar Bewerber aus Spanien und Belgien, ja sogar aus dem Nahen Osten und dem fernen China gemeldet haben. „Mindestens fünf ernsthafte Interessenten sind dabei“, jubelt Paul Gérardin, der Anwalt der Bank.