Umweltschützer demonstrieren Anfang Juli in Berlin gegen Gasförderung durch Fracking Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Zuletzt schien es, dass Fracking, die umstrittene Gasförderung aus großen Tiefen, in Baden-Württemberg keine Chance hat. Eine falsche Einschätzung, sagt nun die Umweltorganisation BUND und wirft der Landesregierung und einer Behörde Versäumnisse vor.

Stuttgart/Konstanz - „Die Gefahr ist groß, dass Fracking in einigen Jahren kommt, obwohl auf dem Papier alle dagegen waren“, sagte die Landesgeschäftsführerin des BUND in Baden-Württemberg, Sylvia Pilrasky-Grosch am Mittwoch in Stuttgart.

Bislang sehe man eine „zu großzügige Behördenpraxis“, etwa bei der Genehmigung von Fracking-Lizenzen. Insbesondere das zuständige Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) agiere lax und fordere die Einhaltung gesetzlicher Regelungen „zu wenig“ ein. Zudem hegen die Umweltschützer Zweifeln an der Seriosität einer privaten Explorationsfirma, die in Besitz der Lizenzen zur Erkundung zweier unkonventionellen Gasvorkommen im Land ist. BUND-Chefin Pilarsky-Grosch forderte das Land daher dazu auf, dem Unternehmen die Lizenzen zu entziehen.

Damit erhält die Debatte um Fracking, wie der Abbau von sehr tief im Gestein liegenden Öl- und Gasvorkommen mittels neuer Technologien genannt wird, neue Nahrung. Denn bisher sah es so aus, als ob die Tage, der in Politik und Bevölkerung höchst umstrittenen Fördermethode, gezählt sind.

Erst Anfang Juli einigten sich das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium auf ein Eckpunktepapier, nach dem Gas-Fracking aus Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3000 Metern bis zum Jahr 2021 grundsätzlich verboten werden soll.

Nach dem Moratorium soll allerdings eine erneute Prüfung stattfinden. Zudem soll das sogenannte konventionelle Fracking, das im Erdreich eher punktuell stattfindet und in größeren Tiefen durchgeführt wird, weiter möglich bleiben. Für höher liegende, grundwasserführende Gesteinsschichten stellt es eine geringere Gefahr da als das derzeit in den USA boomende unkonventionelle Fracking. Bei diesem wird das Bohrloch nur maximal drei Kilometer tief vorangetrieben. Dann knickt die Bohrung im rechten Winkel ab und wird kilometerweit horizontal weitergeführt. Die Chance, dabei Grundwasserblasen aufzubrechen, ist hoch.

Nach Ansicht des BUND gehen die jetzt auf Bundesebene angestoßenen Regelungen nicht weit genug. Eine rechtliche Handhabe, Fracking auszuschließen, existiere noch nicht“, sagte ein BUND-Sprecher unserer Zeitung. Auch in Baden-Württemberg sei der Abbau der Vorkommen möglich.

„Es kann gut sein, dass die Gasvorkommen in Baden-Württemberg gar nicht unter das angestrebte Moratorium fallen“, sagte der Sprecher. Der Grund: Es sei überhaupt nicht bekannt, in welchen Tiefen sich das Gas befinde und von welchen Gesteinsschichten es ummantelt sei.

Das Landesumweltministerium in Stuttgart widersprach der Darstellung des BUND. Über das Wassergesetz könne „Fracking in Baden-Württemberg faktisch verhindert werden“, sagte Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller (Grüne). Dieses erhebe strenge Maßstäbe, etwa bezüglich der Einleitung von Chemikalien ins Erdreich. Allerdings seien auch ihm die rechtlichen Gegebenheiten „als Mauer gegen Fracking“ bisher zu dünn, sagte Untersteller. Im Bundesrat setze sich Baden-Württemberg daher für eine Änderung des Bergrechts ein. Nur so sei Fracking in Deutschland sicher zu verhindern. Diese Einschätzung teilt auch die CDU-Opposition im Land. Schon 2012 habe man dafür plädiert Fracking, insbesondere in Wasserschutzgebieten, auszuschließen, sagte der Umweltexperte der Fraktion, Wolfgang Reuther.

Die für das Fracking zuständigen Bergbau-Experten des LGBR in Freiburg dürfen sich indes auf einen Rüffel des Umweltministers gefasst machen. Deren Vorgehen bei der Verlängerung einer Fracking-Lizenz an die vom BUND kritisierte Explorationsfirma entspreche nicht seinem „Verständnis von Sensibilität“, sagte Untersteller. Darüber werde noch zu sprechen sein. In die fachliche Kompetenz der Behörde habe er aber weiter „vollstes Vertrauen“.