Wo fliegen sie denn? Ein Standbild der „Landeschau“ aus den 1970ern. Alle Aufnahmen der Bildergalerie sind Fernseh-Standbilder der „Landesschau“ aus den 1960ern und 1970ern, fotografiert von Burghard Hüdig und Kurt Eppler. Foto: Hüdig/Keppler

Die Mütter trugen Haartürme, die Schultüten waren kleiner, die Autobahn gehörte dem Käfer: Eine Augenweide sind die Standbilder aus analogen Zeiten der „Landesschau“. Fotoschätze aus dem Nachlass eines SWR-Redakteurs sorgen auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums für Begeisterung.

Stuttgart - Die Mütter trugen Haartürme, die Schultüten waren kleiner, die Autobahn gehörte dem Käfer: Eine Augenweide sind die Standbilder aus analogen Zeiten der „Landesschau“. Fotoschätze aus dem Nachlass eines SWR-Redakteurs sorgen auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums für Begeisterung.

Es war die Zeit, als die Kinder nicht im Mama-Taxi direkt vor die Schultüre befördert wurden – nein, sie mussten noch selber laufen, meist an der Mama-Hand geführt. Wir befinden uns in den 1960ern auf der Waiblinger Straße in Bad Cannstatt.

Die Fußgängerampel steht auf Grün. Nicht eine der schwungvoll toupierten Mütter, die hurtig mit Kind und Schultüte die Straße überqueren, trägt eine Hose. Den Weg zur Schule treten zu dieser Zeit die Frauen im Rock an. Vielleicht sind aus manchen Kindern von einst „Helikopter-Eltern“ geworden, die ihre Kleinen heute am liebsten bis ins Klassenzimmer chauffieren.

„Damals waren bei der Einschulung nur Mama, Papa und die Geschwister dabei“, schreibt Ekbiw Wi auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album, „heute kommen die ganze Verwandtschaft und Freunde.“ Sie habe Angst vor der Schule gehabt, erinnert sich die Leserin, dies habe sich irgendwann gelegt: „Heute arbeite ich in dem Zimmer, in dem ich meine ersten Schuljahre überstand.“

Das Foto mit den Müttern und Kindern von der Waiblinger Straße ist Ende der 1960er mehrmals in der „Landesschau“ des damaligen Südfunks eingeblendet worden – als sogenanntes Standbild, wenn es in der Sendung um Abc-Schützen oder Schulen ging. In den analogen Zeiten liefen im Vergleich zu heute nur wenige Filme. Die Fernsehredaktion schickte Pressefotografen los, um große Ereignisse, Unfälle oder Feierlichkeiten festzuhalten. Und sie ließen von ihnen Bilder zu verschiedenen Themen anfertigen, die zur Illustration einer Nachricht aus dem Archiv geholt worden sind.

Der im Alter von 57 Jahren viel zu früh verstorbene Edgar Burkhardt arbeitete über viele Jahre als Redakteur in der „Landesschau“. Als bei der Umstellung auf die digitale Technik die analogen Schwarz-Weiß-Bilder nicht mehr gebraucht wurden, hat er sie aus dem Papierkorb gerettet und mit nach Hause genommen. Nach seinem Tod hat seine Witwe Brunhilde Bross-Burkhardt die einzigartige Sammlung aus dem Nachlass ihres Mannes dem Stuttgart-Album vermacht.

Bilder lösen Hype auf unserer Facebook-Seite aus

Auf unserer Facebook-Seite haben die Bilder einen regelrechten Hype mit vielen Kommentaren ausgelöst. Bei dem Foto des Schwimmers auf dem Sprungbrett, der zu einem Flugzeug aufschaut, gehen die Meinungen auseinander, ob es in den 1970ern im Freibad Möhringen oder Denkendorf aufgenommen worden ist. Der heute 81-jährige Fotograf Burghard Hüdig meint, es sei im Inselbad gewesen, ist aber nicht sicher.

Auf einem weiteren Standbild sieht man einen Stau auf der Talstraße. „Den gibt’s immer noch“, hat Claus Haustein bei Facebook geschrieben. Fuhren die Leute zum Volksfest oder zum VfB? Die meisten Fotos für die zunächst nur fünfminütige „Landesschau“ stammen von Hüdig, dem im Ruhestand eine zweite Karriere als Maler geglückt ist, sowie von seinem 1986 verstorbenen Kollegen Kurt Eppler, dessen Sohn Frank Eppler heute im Fotografenberuf seines Vaters arbeitet.

Für Hüdig waren die Fotos fürs Fernsehen eine lohnende Einnahmequelle. Der Südfunk zahlte sehr gut, mehr als Zeitungen. Viele seiner Aufnahmen sind heute Dokumente der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Am 12. April 1968 hatte er im Radio gehört, dass Demonstranten in Esslingen die Auslieferung der „Bild“-Zeitung blockierten – am Tag davor war Rudi Dutschke in Berlin niedergeschossen worden. Sofort setzte sich Hüdig ins Auto, hielt als einziger Pressefotograf fest, wie der Verleger mit einem Wasserschlauch die Demonstranten vertreiben wollte. Mehrfach wurde die Aufnahme im Fernsehen gezeigt und von fast allen Zeitungen in Deutschland gedruckt. Burghard Hüdig lieferte Standbilder einer bewegten Zeit.

Weitere Standbilder der „Landesschau“ finden Sie unter www.facebook.com/Album.Stuttgart.de. Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zu unserer Geschichtsserie mit vielen Fotos erschienen.