Ohrwurm, Weberknecht und anderen Insekten hat sich der Stammheimer Ulrich Behrend auf besondere Weise genähert. Der Industriefotograf im Ruhestand zeigt seine Bilder in der Bücherei. Foto:  

Ulrich Behrend geht ran. Nahe ran. Der Fotograf hat sich in seiner neuesten Ausstellung der Makro-Fotografie gewidmet und zeigt in der Stadtteilbücherei Bilder von Insekten, wie man sie nur selten zu sehen bekommt.

Stammheim - Sie haben acht Augen, bizarre Greifwerkzeuge oder eine Raspelzunge. Das Beste ist aber: Sie leben mitten unter uns. Der Stammheimer Fotograf Ulrich Behrend ist mit seinen Makro-Aufnahmen der geheimen Welt der Insekten auf die Spur gekommen. Bei einer Ausstellung in der Stammheimer Bücherei lässt er ab Freitag seine Gäste daran teilhaben.

Den meisten Menschen läuft es beim Anblick einer Spinne oder einer Wanze kalt den Rücken herunter. Würde man diese Tiere aber einmal vorurteilsfrei und in aller Ruhe betrachten – und dazu lädt die neue Ausstellung ein – man entdeckte eine ganz neue Welt: Der Mistkäfer kommt hier daher wie kraftstrotzendes, rabenschwarzes Schlachtross. Der Admiral-Schmetterling hat Haare auf den Facetten-Augen und die Larve des Rosenkäfers bewegt sich mittels feiner Härchen und auf dem Rücken liegend fort. Vieles davon war auch Ulrich Behrend neu: Er nahm seine Fotografien zum Anlass, ausgiebig im Internet zu recherchieren und das Gespräch mit Fachleuten zu suchen.

Auftakt mit der Spinne im Keller

Angefangen hat alles mit einer Spinne im Keller. Der Industriefotograf im Ruhestand fand in ihr das ideale Fotomodell, und schnell kam das eine zum anderen – vom Ohrenzwicker bis zum Regenwurm. Ihre Geheimnisse geben die Insekten freilich erst in einem komplizierten Prozess preis: Da jede noch so kleine Bewegung die Aufnahme unbrauchbar machen würde, werden die wechselwarmen Tiere im Kühlschrank schockgekühlt. Was wiederum das Ausleuchten erschwert, da die Hitze der Scheinwerfer diesen Effekt zunichte machen würde.

Außerdem ist ein komplizierter Versuchsaufbau aus Makro-Objektiv, Vorstecklinsen und Kreuzschlitten nötig, um am lebenden Objekt zu zeigen, was dem menschlichen Auge verborgen bleibt. Möglich macht die atemberaubenden Aufnahmen aber letztendlich erst die digitale Bildbearbeitung: Die Tiefenschärfe ist bei so extremen Nahaufnahmen so gering, dass immer nur ein winziger Ausschnitt des Motivs wirklich scharf abgebildet wird. Also müssen die Informationen von vielen Fotos quasi übereinander gestapelt und mittels Computer zu einer einzelnen Aufnahme zusammengerechnet werden. „Stacking“ und „Rendering“ nennen sich diese Verfahren.

Fotomodell ist die Kieferwanze „Mike“

Ulrich Behrend kann zu nahezu jedem seiner „Fotomodelle“ eine Geschichte erzählen. Besonders angetan hatte es ihm eine Amerikanische Kieferwanze, der er sogar einen Namen gab: „Mike war eben besonders lange mein Gast“, lacht er. Es ist für ihn Ehrensache, die Insekten nach getaner Arbeit wieder in die Freiheit zu entlassen. Und er wirbt um Verständnis für die Krabbler und Kriecher: „Wo wären wir denn zum Beispiel ohne die Bienen?“, regt Behrend zum Nachdenken an. Beim Ausstellungsrundgang drängt sich auch ein anderer Gedanke auf: Wie kommt es, dass wir einige Insekten wie den Marienkäfer oder den Grashüpfer positiv wahrnehmen, uns beim Anblick einer Spinne aber vor Ekel schütteln? Im Foto sind alle Tiere gleich faszinierend.

Von einem fotografischen Standpunkt aus, ist für Ulrich Behrend das Thema Makrofotografie inzwischen weitgehend abgeschlossen. Er hat sich nun einer neuen Aufgabenstellung zugewandt und fotografiert das sich gerade stark wandelnde Stammheim im Panorama. Er zeigt einige 360 Grad-Aufnahmen, darunter einen eindrucksvollen Blick von einem Baukran. Die nächste Ausstellung scheint sich da schon abzuzeichnen. Auch sie womöglich ein rechter Augenöffner – wie der Ausflug in die Welt der Insekten.

Info

Die Ausstellung „Dem Regenwurm in’d Gosch gschaut“ von Ulrich Behrend eröffnet am Freitag, 27. Januar, um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei Stammheim, Kornwestheimer Straße 7. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr sowie an den Samstagen von 10 bis 13 Uhr.