Barbara Keller hat einen Hinterhof fotografiert, der auch heute noch gewerblich genutzt wird. Foto: Sebastian Ostendorf

Die Naturfreunde widmen sich in ihrer 15. Fotoausstellung den Hinterhöfen. Manche der Höfe haben die Fotografen gar nicht erst betreten. Sie machten die Aufnahmen durch Eingänge oder Fenster.

S-Ost - Der Betrachter blickt direkt auf die gelben Briefkästen am Ende des Hinterhofes. Rechter Hand guckt er in die Küche einer Metzgerei. Getränkekisten und Töpfe stapeln sich. Links lassen sich die Schlacht- und Kühlräume erahnen. Offensichtlich wohnen und arbeiten hier Menschen auf engsten Raum. Aus diesem Grunde hat die Fotografin Barbara Keller dieses Motiv ausgesucht. „Heute werden Hinterhöfe nur noch selten auf diese Weise genutzt“, sagt sie.

Überraschend hoher Zuspruch

Unter der Leitung von Gerhard Götze haben Keller und sechs weitere Fotografen der Naturfreunde Stuttgart-Ost die Ausstellung unter dem Motto „Hinterhöfe. Einblicke und Durchblicke. Ein Streifzug durch den Stuttgarter Osten“ konzipiert. Die Eröffnung in der Stadtteilbibliothek Ost, Eduard-Pfeiffer-Bücherei, war gut besucht. „Ich hatte vermutet, dass viele Gäste kommen würden. 80 bis 100 Personen übertraf die Vorstellung aller Beteiligten“, sagte Götze. Auch der Bibliotheksleiter Martin Hofferbert war vom Zuspruch überrascht. „Es war das richtige Thema. Wir konnten allen Besuchern am Rosenmontag eine Alternative zu den Umzügen bieten“, sagt Hofferbert.

Die Fotogruppe besteht seit mehr als sechs Jahrzehnten. Die Ausstellungen organisieren die Fotografen seit 15 Jahren in der Eduard-Pfeiffer-Bücherei. „Wir wollten ein Thema aufgreifen, das nicht für jeden sofort offensichtlich mit dem Stuttgarter Osten verbunden ist“, sagte Götze. Die Fachgruppe Foto hat auf ihren Streifzügen festgestellt, dass von den alten Verhältnissen nur noch wenig übrig geblieben ist.

Erheblicher Aufwand

Das Ergebnis präsentiert die Gruppe auf 26 Tafeln. Viele der Fotos sind Momentaufnahmen. „Blumentöpfe, abgestellte Fahrräder oder Sperrmüll in den Hinterhöfen sind zum Zeitpunkt der Ausstellung längst weggeräumt“, erklärte Götze. Manche der Höfe haben die Fotografen gar nicht betreten. Sie machten die Aufnahmen durch Eingänge oder Fenster. „Deshalb auch der Untertitel ,Einblicke und Durchblicke’“, sagte Götze. Viele Hinterhöfe veränderten sich oder würden ihre ursprüngliche Funktion verlieren. „Haben früher in den Hinterhöfen Kinder gespielt und Handwerker ihre Werkstätten betrieben, werden die Höfe heute fast nur noch als Stellflächen für Autos oder Mülltonnen benutzt.“

„Die Fotogruppe hat sich etwas sehr Nostalgisches ausgesucht“, sagte der Büchereileiter Martin Hofferbert. Gewöhnlich verbinde man Hinterhöfe nicht unbedingt mit Stuttgart, sondern mit dem Künstler Heinrich Zille und Berlin. Dort lebten besonders die kinderreichen Arbeiterfamilien in Tristesse und Armut. „Die Stuttgarter Hinterhöfe unterscheiden sich stark von denen in Berlin. In der Hauptstadt sind die Höfe meist direkt hintereinander gebaut und ergaben ausgedehnte Komplexe“, so Götze. Sie entstanden, als in den 1920er Jahren eine enorme Wohnungsnot und Zuzug in die Hauptstadt herrschte. „In Stuttgart sind sie dagegen sehr klein auf Kleinhandwerker zugeschnitten gewesen“, so Götze. Hinter der Ausstellung steht ein erheblicher Aufwand. „Von der Konzeption bis zum Eröffnungstag dauert es rund ein bis anderthalb Jahre“, sagte Götze bei der Vernissage. Der Bibliotheksleiter Hofferbert war gespannt, wie die Fotogruppe den Osten entdecken und präsentieren würde. „Es existieren im Osten noch Hinterhöfe. Manche von ihnen lassen erahnen, welche Verhältnisse früher herrschten“, sagt Hofferbert.