Für Woody Allen hatte Michael Nether nur wenig Zeit – und erwischte den Künstler beim Ansetzen der Klarinette. Weitere Beispielbilder von Nether gibt es unserer Fotostrecke. Foto: Schwieder

Mit dem Grab des Musikers Jim Morrison beginnt die Foto-Ausstellung von Michael Nether. Er hat ein Gespür dafür entwickelt, zur rechten Zeit auf den Auslöser seiner Kamera zu drücken. Das ist ihm bei vielen Promis gelungen. Eine Ausstellung in Degerloch.

Degerloch - Die Gesichter erscheinen vertraut: Willy Brandt oder Tina Turner, Bob Dylan oder Peter Ustinov, es sind vielfach prominente Künstler und Politiker, die der Fotograf Michael Nether in 47 Jahren abgelichtet hat. Anlässlich seines 70. Geburtstages, den er im Mai feiern wird, zeigt die Galerie Nieser unter dem Titel „47/70 – Bilder eines Photomanen“ ab Samstag eine Auswahl seiner schwarz-weißen Porträts und Aktfotos.

So wie Michael Nether sein Tun nach wie vor mit Ph schreibt, so sehr legt er Wert darauf, auch heute noch analog zu fotografieren. „Bei der digitalen Fotografie macht man zu viel. Man kann tausendmal auf den Auslöser drücken, aber bei der analogen Kamera hat man nur 36 Bilder. Da muss etwas dabei herauskommen.“

Besonders intime Porträts

Das Ergebnis sind besonders intime Porträts, Momentaufnahmen aus Konzerten, Lesungen oder politischen Veranstaltungen. Sie erwecken den Eindruck von Vertrautheit, und doch sind sie in der Öffentlichkeit entstanden. Nether hat nur den richtigen Moment erwischt. „Dafür muss man vorausdenken“, sagt der Autodidakt, der trotz der fehlenden Ausbildung als Fotograf einen guten Ruf genießt. Jahrzehntelang zog er alleine mit der Kamera los und fotografierte aus dem Zuschauerraum heraus. Immer ohne Blitz, den er nur bei Aufnahmen in seinem Atelier benutzt.

Zur Fotografie kam der in Besigheim geborene Nether, als er 1969 nach Berlin umsiedelte, wo er seine erste Nikon zu Konzerten mitnahm. Nachdem er diverse Berufe ausprobiert hatte, fotografierte er von 1979 an hauptberuflich, unter anderem für Porsche. Er selbst ist überzeugt davon, dass man Fotografie nicht lernen kann, dass es nicht um Kunst geht. Darüber kann man geteilter Meinung sein: Seine Aufnahmen von Klaus Kinski, der sein Publikum beschimpft, wurden von einem Frankfurter Museum gekauft, ein New Yorker Museum hat 100 Nether-Bilder erworben.

Ein besonderes Gespür für Menschen

Die Degerlocher Schau beginnt mit dem Grab des Musikers Jim Morrison in Paris mit den Graffiti seiner Fans und den Bierflaschen der hier residierenden Kiffer. Daneben die Aufnahme einer Frau, deren verwehte Haare ihr Gesicht verdecken. Grazile Tänzerinnen vom Stuttgarter Ballett, Musikerinnen und Musiker. Die Bilder wirken gelegentlich grobkörnig, durch den Verzicht auf den Blitz leicht unscharf; doch das Bühnenlicht lässt die Gesichter klar hervortreten.

Nether scheint ein besonderes Gespür für Menschen zu haben: Peter Ustinov, der nachdenklich an einer Zigarette zieht. Woody Allen, der musikalische Filmregisseur, der konzentriert die Klarinette an die Lippen hebt. Lothar Späth, den damaligen Ministerpräsidenten, erwischte Nether bei einer Wanderung: spitzbübisch schaut das „Cleverle“ zwischen zwei Mänteln in die Höhe. Wolf Biermann fotografierte er in Fellbach, zwei Tage, bevor dieser aus der DDR ausgewiesen wurde. Tina Turner zeigt er mit erhobenen Armen, geradezu in Ekstase. „Mein Lieblingsmodell ist Leonhard Cohen“, sagt Nether. „Der ist so melancholisch in seiner Grundtendenz. So wie ich.“

Ausstellung und Vernissage:

Die Ausstellung „47/70 – Bilder eines Photomanen“ in der Galerie Nieser, Große Falterstraße 31/3, in Degerloch wird am Samstag, 30. April, um 20 Uhr eröffnet. Sie ist bis zum 11. Juni mittwochs bis freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr zu sehen.