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Wie tickt die Jugend von heute? Unternehmer und Lehrer haben sich bei einer Veranstaltung bei Südwestmetall informiert, wie man Nachwuchskräfte für eine Ausbildung interessieren kann.

Waiblingen - Immer mehr Betriebe versuchen verstärkt, dem Fachkräftemangel mit der Ausbildung eigener Nachwuchskräfte entgegen zu wirken. Immer mehr Schulabgänger aber suchen ihr Heil in einem Studium statt in einer dualen Ausbildung. Dabei könnte man diese Jugendliche und jungen Erwachsenen durchaus für eine „Karriere mit Lehre“ begeistern. Das zumindest hat jetzt unter diesem Motto eine Veranstaltung des Arbeitskreises Schule-Wirtschaft beim Verband Südwestmetall in Waiblingen durchblicken lassen.

Wer sich für eine Ausbildung in der Metall- oder Elektroindustrie entscheide, dem stehe nicht nur eine Vielzahl an Karrierewegen offen, der Job werde schon von der Lehre an gut bezahlt, sagt Michael Kempter, der Geschäftsführer des Verbands Südwestmetall Rems-Murr. Ein Studienabschluss gleich zu Beginn sei nicht mehr die Voraussetzung, um später ganz nach oben zu kommen. Doch diese Botschaft scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Landesweit sind zurzeit noch 7200 Ausbildungsplätze unbesetzt.

Mainstream ist kein Schimpfwort mehr

Das allerdings ist wohl auch ein Problem der Kommunikation. „Bei vielen Jugendlichen fehlt es an Informationen über Berufe“, sagt Marc Melcher vom Berliner Sinus-Institut. Die Markt- und Sozialforscher haben in einer aktuellen Studie zusammengefasst, wie Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren ihrer Ansicht nach ticken. Zwar bewegten sich diese nach wie vor in unterschiedlichen Lebenswelten, doch eine generelle Erkenntnis sei, dass – anders als in den 80er- oder 90er-Jahren – nur noch ein kleiner Teil bestrebt sei, sich von der Erwachsenenwelt abzugrenzen. „Mainstream“, sagt Melcher, „ist für die meisten kein Schimpfwort mehr“. Der Wunsch nach Orientierung und Halt in Familie und Gemeinschaft hingegen sei groß.

Das biete den Unternehmen gute Möglichkeiten, Jugendliche bei der Berufswahl von dem eigenen Angebot zu überzeugen – wenn man gezielt und über die richtigen Kanäle informiere. „In einem Betrieb, in dem die Beschäftigten sehr zufrieden sind, kann das Interesse der Kinder über die Eltern geweckt werden.“ Auch engagierte Mitarbeiter, die Schulklassen über die Vorzüge ihres Berufs berichteten, seien als Vorbilder gut geeignet. Am besten freilich sei, wenn sich die Jugendlichen in einem Praktikum selbst ausprobieren könnten.

Mit einem Anker einen Treffer gelandet

Das bestätigten auch Teilnehmer eines Podiumsgesprächs bei der Veranstaltung des Arbeitskreises vor Firmenvertretern und Lehrern. Achmed Haber etwa betonte, erst über ein Schulpraktikum in einem Autohaus erfahren zu haben, was ihm beruflich Spass machen könnte. Heute ist er in jenem Betrieb im vierten Lehrjahr als KFZ-Mechatroniker angestellt. „Praktika sind das Einzige, was zielführend ist“, sagte dazu sein ehemaliger Lehrer an der Backnanger Mörikeschule, Werner Tobolka. „Bei Achmed ist es optimal gelaufen. Er hat einmal einen Anker geworfen und sofort einen Treffer gelandet.“

Auch bei Florian Muff ist es ein Praktikum gewesen, das ihn davon überzeugt hat, seinen beruflichen Weg mit einer Lehre zu beginnen. Dort habe er nicht nur festgestellt, dass der Schorndorfer Handwerksbetrieb „bodenständig und gut aufgestellt“ sei, sondern auch, dass er viele Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten biete. Parallel zu seinem Job hat Muff dann seine Fachhochschulreife nachgeholt und den Meisterbrief erworben. Als Lohn sei ihm jetzt, mit 25 Jahren, viel Eigenverantwortung eingeräumt worden.

Eine solche Anerkennungskultur ist für Marc Melcher ohnehin der Schlüssel zum Erfolg, egal ob in Schule oder Beruf: Kompetenzen zu erkennen und diese individuell zu unterstützen. Denn: „Am positiven Feedback wachsen junge Menschen – und bringen dann auch Leistung.“

Schule und Wirtschaft

Arbeitskreis
Die Landesarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft wird getragen von den baden-württembergischen Arbeitgeberverbänden und dem Kultusministerium. Ziel der Initiative ist unter anderem, die Berufsorientierung zu einem festen Bestandteil in Schulen zu machen. Mehr als 40 regionale Arbeitskreise bieten Schulen und Unternehmen Veranstaltungen zu bildungspolitischen Themen, Betriebserkundungen und Schulbesuche an.