Überflieger: Kira Grunwald, Manfred Ehresmann und Franziska Hild (v. li.) Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Stuttgarter Luft- und Raumfahrtstudenten wollen hoch hinaus mit ihrem jünsten Forschungsprojekt. So hoch, dass es schon eines Astronauten bedarf, um den Versuch zu betreuen.

Stuttgart - Während einer Space-Shuttle-Mission verrichten Kommandant Matt Kowalsky (George Clooney) und die Wissenschaftlerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) Routinearbeiten am Raumschiff, als ein fataler Unfall zum Desaster führt. Der 3D-Weltraumthriller „Gravity“, der 2013 in die Kinos kam, lieferte betörende Bilder aus der Tiefe des stillen Weltalls, in Wirklichkeit ist ein Astronaut allerdings einem rauschenden Inferno ausgesetzt.

„Die Kühlsysteme von Raumstationen sind laut, Pumpen machen Geräusche, Computer surren – für Astronauten ist die Belastung mit Geräuschen sehr hoch“, sagt Manfred Ehresmann, Doktorand der Luft- und Raumfahrttechnik am Institut für Raumfahrt Systeme der Universität Stuttgart. Wie hoch, kann jeder mit Internetanschluss selbst hören auf der soundcloud.com/colchrishadfield/space-station-noise.

Das könnte sich ändern, wenn das Studententeam Papell der Universität Stuttgart mit seinem Forschungsprojekt Erfolg hat. „Wir haben eine Ferrofluidpumpe gebaut, die mit Hilfe von Elektromagneten eine Flüssigkeit mit kleinsten Eisenpartikeln bewegt“, sagt die Luft- und RaumfahrtstudentinFranziska Hild und 20 Jahre junge Projektleiterin des Teams. Durch An- und Ausschalten der Magnete könne die Flüssigkeit gezielt von A nach B geführt werden. Das Team rekrutiert sich aus der Studentischen Kleinsatellitengruppe und beweist, „dass selbst Feststoffe, Gase oder Flüssigkeiten auf diese Weise transportiert werden können“, sagt Kira Grunwald, ebenfalls 20 Jahre alt, Systemingenieurin und stellvertretende Projektleiterin.

Für die Treibstoffversorgung auf Raumfahrtmissionen zum Beispiel wäre die Technik von Vorteil, weil sie ohne Mechanik funktioniert: „Die Teile verschleißen irgendwann, die Geräte sind störanfälliger, und bis eine Reparatur im All möglich ist, vergeht oft viel Zeit“, sagt Franziska Hild.

„Jetzt wollen wir beweisen, dass die Wanderungen auch in schwereloser Umgebung funktionieren“, sagt Kira Grunwald. Das Papell-Team selbst hat natürlich kein Raumschiff, aber gute Ideen. Es reichte das Projekt beim Wettbewerb „Überflieger“ ein, ausgeschrieben vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Zwei Monate lang arbeiteten etwa 20 Studenten an der Versuchsanordnung. Vergangene Woche präsentierte eine kleine Delegation die Ferrofluidpumpe der Jury in Bonn – und gewann: Der Astronaut Alexander Gerst wird ihre Projektarbeit bei der nächsten Mission mitnehmen und im All testen. Er fliegt von Mai bis November 2018 wieder zur Internationalen Raumstation ISS. Und zweitens ist der Studentengruppe eine Projektfinanzierung mit 15 000 Euro zugesagt.

Auf der Raumstation geht es eng zu. So durfte die Versuchsanlage der Stuttgarter Studenten auch nicht größer sein als 10 x 10 x 15 Zentimeter, so groß wie ein Babyschuh-Karton. Gerst wird den Container auf der ISS einklinken und die Versuche 30 Tage lang überwachen. Damit er weiß, worauf es ankommt, müssen die Studenten Handbücher für ihn ausarbeiten. Wenn alles klappt, zeichnen Speicherkarten die Daten auf, einige sendet die ISS auch zur Erde. „Wir programmieren gerade eine Bodenstation“, sagt Manfred Ehresmann.

Ob sie Gerst persönlich kennenlernen werden, steht noch nicht fest. Terminiert ist aber die Übergabe des Versuchscontainers in Köln, bevor der Astronaut im Mai 2018 abhebt und mit der Ferrofluidpumpe eine völlig geräuschlos arbeitende Technik mit ins All nimmt. Wenn das Prinzip auch auf größere Einheiten übertragbar ist, könnte es eines Tages auf Raumstationen ruhiger zugehen. Vielleicht so still wie im Film.