Das Team Inventus aus Stuttgart-Vaihingen mit seinem neuen Fahrzeug. Foto: Universität Stuttgart

Seit zehn Jahren hat das Team Inventus der Uni Stuttgart bei Wettbewerben die Nase vorn. Das Team baut Fahrzeuge, die allein mit Windenergie betrieben werden. Wir haben mit den jungen Forschern gesprochen.

Vaihingen - Gegenwind an der Küste? Das weckt zumeist unangenehme Erinnerungen an mühsames Strampeln auf dem Fahrrad. Freude kommt dabei im Regelfall nicht auf. Julian Fial und Felix Krziwanie allerdings geraten nachgerade ins Schwärmen, wenn sie sich eine ordentliche Brise von vorn vorstellen. Sie sind Teil des an der Universität in Stuttgart-Vaihingen ansässigen Teams Inventus, das sich gerade den dritten Platz beim Aeolus-Race sichern konnte, der Weltmeisterschaft im Gegenwindfahren. In die Pedale treten müssen die Teilnehmer des Wettbewerbs im niederländischen Den Helder nicht. Mit eigens konstruierten Ventomobilen nutzen die Fahrer die Kraft des Gegenwinds als Antrieb. Das Stuttgarter Modell rollt, getrieben von einem mächtigen Rotor, auf vier schmalen Rädern daher. Schlank und leicht. Die Abdeckung der Metallkonstruktion, die das Getriebe birgt, besteht aus Kohlefaser und Softskin und wiegt weniger als zwei Kilo.

„Meist suchen die Leute erst mal nach Solarzellen, wenn sie unser Fahrzeug begutachten“, amüsiert sich Fial, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Flugzeugbau. „Das ist natürlich absurd. Der Witz ist ja gerade, dass wir ausschließlich Windenergie verwenden.“ Die nächste Frage gilt dann meist dem wissenschaftlichen Nutzen des Unterfangens. Dass die Teilnahme am jährlichen Wettbewerb mit Kollegen aus Dänemark, Kanada oder der Türkei Laune macht: gut und schön. Bringt der ganze Spaß aber auch die Forschung weiter? Als saubere Alternative für die Automobilindustrie fällt Windkraft derzeit zumindest aus. „Wir erreichen Geschwindigkeiten zwischen 25 und 30 Kilometer in der Stunde, erklärt Fial. „Wenn der Wind zu schwach ist, geht gar nichts.“ Die Idee eines Hybridantriebs, der Elektronik und Mechanik verbindet, ist noch nicht ausgereift. „Wir zeigen, welches Potenzial in der Windenergie steckt“, überlegt der 29-Jährige. „Ich denke, auch das ist ein wichtiger Beitrag.“ Zudem verspricht das Tüfteln an den Rotoren, die nicht nur maximale Leistung erbringen, sondern gleichzeitig minimalen Luftwiderstand bieten sollen, neue Erkenntnisse.

Ein erster Platz wäre mal wieder fällig

15 Studierende befassen sich derzeit mit der Weiterentwicklung von Modell 3.2. Unterstützt vom Stuttgarter Lehrstuhl für Windenergie, wo der Kohlefaser-Flitzer erdacht wurde, dem Institut für Aerodynamik und Gasdynamik und Sponsoren aus der Wirtschaft. Felix Krziwanie stieß 2014 zum interdisziplinären Projekt als er an seinem Bachelor in Luft- und Raumfahrttechnik arbeitete. „Die technischen, aber auch die organisatorischen Herausforderungen sind spannend“, zeigt er sich begeistert. „Das Team ist toll und man kann hier eine Menge lernen, etwa über verschiedene Fertigungsverfahren. Das Gefährt, dass hier steht, wurde vollständig von Studierenden entwickelt und gebaut.“ Dass alles mit Praxis verbunden sei, mache einen großen Unterschied zum Lernen am Schreibtisch, so der 24-Jährige.

Nach einem Sieg beim ersten Rennen anno 2007, zwei zweiten Plätzen und Rang drei ist das Ziel für 2018 klar: „Der erste Platz wäre eigentlich mal wieder fällig“, stellt Julian Fial fest. Für diesen Erfolg gilt es weiter am idealen Konzept zu feilen, wie sich dem Wind möglichst viel Energie abgewinnen lässt. Die Übersetzung von 80 Prozent der Windkraft in Energie für das Deichrennen an der Nordsee reichte zuletzt nicht aus. Ein Konkurrent lag bereits bei 102 Prozent und fuhr somit schneller als der Wind. Die Messlatte liegt hoch. „Wir hatten dieses Jahr auch etwas Pech“, gibt Fial zu bedenken. „Das Beschleunigungsrennen über 100 Meter, einer von mehreren Wettbewerben, deren Ergebnisse zur Gesamtwertung aufaddiert werden, fiel wegen zu geringer Windstärke aus. Das ist schade, denn in dieser Disziplin haben wir immer sehr gut abgeschnitten.“

Die neue Variante ist aerodynamischer

Eine Stärke des Inventus-Racers aus Stuttgart-Vaihingen ist die eigens gegossene Cockpithaube, die an ein Segelflugzeug erinnert, und es dem Piloten trotz quasi liegender Position ermöglicht zu sehen, wohin die Reise geht. „Das ist keine Selbstverständlichkeit“, erklärt Krziwanie. Bei den Vorläufermodellen saß der Fahrer noch im Freien. Die neue Variante ist aerodynamischer. Der Wind bleibt draußen. Das hat allerdings auch seine Tücken: „Es wird verdammt warm da drin“, sagt Fial und seufzt. „Daran konnten wir auch mit einer computergesteuerten Lüftung nicht viel ändern. Wenn man als Fahrer fünf Minuten auf den Start warten muss, fühlt man sich wie im Treibhaus.“ Geschwitzt wird beim Gegenwindfahren also auch – fast wie auf dem Fahrradsattel.