Idealer Ort für die Elektropremiere in Deutschland: Der stillgelegte Flughafen Tempelhof Foto: dpa

Die Formel E kommt bei Fans, Politik und Wirtschaft gut an – nur das leise Surren der Motoren ist gewöhnungsbedürftig.

Berlin - Eine Idee zu haben ist gut. Doch sie bringt erst etwas. wenn sie auch umgesetzt wird. In Zusammenhang mit der Formel E kam diese knifflige Aufgabe Alejandro Agag zu. Der Spanier, Unternehmer und ehemaliges Mitglied im Europäischen Parlament, begann die Herausforderung so, wie es sich jeder Ingenieur wünscht – mit einem weißen Blatt Papier. Herausgekommen sind interessante Ansätze, die teilweise auch für die traditionellen Serien spannend sein können.

Eine seiner Ideen war, direkt in die Städte zu gehen. Damit war der große Motorsport wieder zurückgekehrt nach Berlin. Aber nicht auf die Stadtautobahn Avus. Ort des Spektakels war dieses Mal der stillgelegte Flughafen Tempelhof. Ein geradezu idealer Ort für die Elektropremiere in Deutschland. Ganz nach dem Motto: Geschichte trifft Zukunft. „Andere Serien wollten hier auch fahren, haben aber keine Erlaubnis bekommen. Wir haben sie bekommen, weil wir Elektro sind“, sagt Alejandro Agag stolz. Unterstützung erhielt er dabei besonders von Cornelia Yzer, der Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Ansonsten werden die Strecken auf dem Roten Platz in Moskau (6. Juni) oder im Londoner Olympiapark (27./28. Juni) aufgebaut. Wie zuvor in Miami und Long Beach, Peking und Monte Carlo, Buenos Aires und Punta des Este (Uruguay).

Nicht nur die Örtlichkeit, es war alles ein wenig anders an diesem Samstag. Statt lautem Motorengebrüll lag ein leises Surren in der Luft. Auch die über 20 000 Besucher waren ein wenig anders als bei traditionellen Rennen. Vor allem jünger waren sie. Auch der Zeitplan hat etwas Besonderes. An einem Tag finden Training, Qualifying und Rennen statt. Oder die Fans können via Online-Abstimmung ihrem Lieblingsfahrer zusätzlich zu den 150 kW (202 PS) für fünf Sekunden 30 kW (48 PS) Zusatzleistung geben. Dies kann für ein Überholmanöver reichen. „Die Idee des Fan-Boosts ist es, den Fans eine richtige Interaktion mit dem Sport zu geben“, sagt Agag.

In der Formel 1 völlig undenkbar, wurde jeder dieser Fahrer in der ehemaligen Abfertigungshalle an einem eigenen Schalter platziert. Autogrammstunde zwischen Qualifying und Rennen. Die Fans nahmen es dankend an und drängten sich. So voll war die große Halle früher selbst zu Ferienbeginn nicht.

Dies liegt natürlich auch an den Fahrern. Während vieles in der Formel E neu ist, sind zumindest deren Namen bekannt und klangvoll. Häufig haben sie eine Formel-1-Vergangenheit hinter sich. So wie der Mönchengladbacher Nick Heidfeld oder Jarno Trulli (Italien). Nelson Piquet jr. ist ebenso in der Königsklasse gefahren wie Bruno Senna, Neffe des tödlich verunglückten Champions Ayrton Senna.

Nicht nur bei den Fans und in der Politik wirkt die Serie elektrisierend, sondern auch in der Wirtschaft. „Wir haben uns schon mehrfach mit dem Thema Sponsoring im Motorsport beschäftigt“, erzählt Andreas Baumgärtner. Doch immer wieder kamen er und seine Vorstandsmitglieder von Marco O’Polo zu dem Ergebnis: Passt nicht zur Philosophie des Textilunternehmens. „Die Formel E ist insofern ideal, weil sie zu Natürlichkeit und Nachhaltigkeit passt.“

Bei ihrem Debüt in Berlin konnte die neue Serie nicht alle Fans begeistern. Ihnen ging der fehlende Lärm ein wenig ab. Trotz einer Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 in weniger als drei Sekunden, sind auch die Geschwindigkeiten noch nicht berauschend. Und weil die Fahrzeuge alle auf dem selben Leistungsniveau sind, sind Überholvorgänge selten. Doch das ist ein Prozess. Die Formel 1 hat auch viele Jahre gebraucht, sich ihren Mythos zu erarbeiten. Mittlerweile wird dort auch nur noch selten überholt.

Besserung ist schon in Sicht. Ab der kommenden Saison darf an der Antriebseinheit entwickelt werden. Diese Chance wird das Team Abt Sportsline mit seinem Technologiepartner Schaeffler nutzen. „Wir werden einen eigenen Elektromotor einsetzen“, sagt Teamchef Hans-Jürgen Abt. Die Autoindustrie schaut nicht nur interessiert der Entwicklung zu. Renault liefert momentan die Antriebseinheit, Citroen will kommen. Audi ist über das Abt-Team schon dabei.

Rennfahrer Bruno Senna ist vor der nahen Zukunft nicht bange. „Die Elektroautos können eine sehr gute Performance bieten“, sagt der Brasilianer. Wenn kräftigere Motoren und stärkere Batterien kommen, dann auch für einen ganz Renndistanz.“ Momentan muss nach der Hälfte noch der Fahrer in ein zweites Auto wechseln.

Nach der erfolgreichen Premiere in Berlin holte die Formel E der ganz normale Alltag des Motorsports ein. „Lucas di Grassi beim ePrix in Berlin disqualifiziert“, vermeldete die Fia abends um 21.38 Uhr. Am Frontflügel des überlegenen Siegers hatte sein Abt-Team unerlaubterweise eine Schraube ausgetauscht. Der Sieg war dahin, das blütenreine Image der Formel E beschmutzt.