Beim Rennen in Bahrain verlor Red Bull auf der Zielgeraden gut eine Sekunde auf die Silberpfeile Foto: Getty

Nicht nur Red Bull rechnet mit großer Überlegenheit von Mercedes in China, auch die Experten meinen: Die Silberpfeile können „sich nur selbst schlagen.“

Schanghai - Eigentlich kommt Sebastian Vettel jedes Jahr gerne nach Schanghai. Der Heppenheimer liebt die Strecke und auch die Stadt mit ihrer weltberühmten Uferpromenade. In Schanghai hat er 2009 seinen ersten Formel-1-Sieg für Red Bull eingefahren, die Erinnerung daran schmeckt süß. „Falls ich die Zeit finde, gehe ich auch in die Stadt“, sagt der Weltmeister vor dem Rennen am Ostersonntag (9 Uhr/RTL).

Wahrscheinlich findet Vettel aber keine Zeit; Vettel ist mächtig beschäftigt. Er ist auf der Suche nach den fehlenden Sekunden, auf der Suche nach den vermissten 80 Pferdestärken. Die, so schätzt Red-Bull-Berater Helmut Marko, leistet das Mercedes-Triebwerk im Vergleich zu Vettels Renault-Motor mehr – und deshalb sind die Silberpfeile in dieser Saison eine eigentlich uneinholbare Kraft. „Das gesamte Paket bei denen ist stärker als unseres“, bekräftigt der 26 Jahre alte Hesse erneut. Und in Schanghai dürfte sich an der Überlegenheit von Mercedes wenig ändern.

„Die Mercedes sind einfach unfassbar schnell, wenn es geradeaus geht“, stellt der Titelverteidiger fest. Beim Rennen in Bahrain verlor Red Bull auf der 1050 Meter langen Zielgeraden gut eine Sekunde auf die Silberpfeile von Nico Rosberg und Lewis Hamilton. In China ist die Zielgerade mit 1370 Metern noch länger, was kein gutes Omen für Vettel ist – intern rechnet Red Bull mit einem Rückstand von bis zu 1,3 Sekunden pro Runde. Umgerechnet in die Distanz sind das gut 100 Meter. Diesen immensen Vorsprung kann selbst Sebastian Vettel in den Kurven nicht mehr aufholen. „Das könnte man selbst in einem besseren Auto nicht wettmachen“, betont Helmut Marko.

Eine Einschätzung, die in Expertenkreisen geteilt wird. „Mercedes kann sich in China nur selbst schlagen“, sagt Marc Surer, ehemaliger Rennfahrer und TV-Experte, „zwar hat Red Bull in den vergangenen zwei Wochen das Auto weiterentwickelt, und vielleicht rückt das Feld doch näher zusammen – aber Mercedes bleibt das Maß aller Dinge.“ Was die WM-Tabellen dokumentieren: In der Fahrer-WM führt Nico Rosberg (61 Punkte) vor Lewis Hamilton (50), als Dritter folgt Nico Hülkenberg (Emmerich) mit einem Respektabstand von 22 Punkten. In der Team-WM grüßt Mercedes mit 111 Zählern von der Spitze vor Force India (44).

Die Erfolge steigen keinem bei Mercedes zu Kopf, doch die Erwartungen sind deutlich gewachsen. „Die Mannschaft hat ein Niveau erreicht“, sagt Motorsportchef Toto Wolff, „bei dem Erfolg kein Bonus mehr ist, sondern der Anspruch.“ Und die Fahrer strotzen vor Zuversicht. „Wenn ich durch unsere Garage gehe“, sagt etwa Hamilton, „kann ich die positive Energie des Teams richtig spüren.“ Rosberg fühlt derzeit eine „Entschlossenheit zum Siegen“ bei allen Mercedes-Mitarbeitern. Für den gebürtigen Wiesbadener ist die Reise nach Schanghai ebenfalls mit äußerst angenehmen Erinnerungen behaftet – der aktuelle WM-Spitzenreiter gewann 2012 auf dieser Strecke seinen ersten Grand Prix. Die Vorzeichen, dass China 2014 positive Gefühle auslösen wird, sind für Rosberg deutlich besser als für Vettel.