Verzockt: Nico Rosberg (re.) zieht an Lewis Hamilton vorbei, steigt dann aber in die Eisen, bis die Reifen qualmen Foto: Getty

Das erste Etappenziel hat Mercedes in der Formel 1 erreicht: den Titel in der Konstrukteurs-WM. Im Duell um die Fahrerkrone muss Nico Rosberg allerdings aufpassen, dass er nicht weiter Boden auf Lewis Hamilton verliert. In Russland patzt er und wird dennoch von Niki Lauda gelobt.

Sotschi - Das konnte sich Wladimir Putin natürlich nicht nehmen lassen. Der russische Staatspräsident überreichte Lewis Hamilton die Trophäe für den Gewinner des Großen Preises von Russland sowie Mercedes-Teamchef Paddy Lowe den Pokal für den siegreichen Konstrukteur. Wladimir Putin Aug in Aug mit den schnellsten Rennfahrern und klügsten Technikern dieser Erde – da waren Herrscher unter sich, der politische und die aus der Formel 1. Mercedes übt in der Formel 1 eine uneingeschränkte Dominanz aus. Beim ersten Automobilrennen in Russland seit 100 Jahren unterstrich die Formel-1-Abteilung des Daimler-Konzerns ihre Machtposition wieder einmal höchst eindrucksvoll – nach Hamilton war Nico Rosberg ins Ziel gekommen, und der gebürtige Wiesbadener hatte nach der zweiten Runde sogar auf dem letzten Rang gelegen.

Mit dem neunten Doppelerfolg der Saison ist Mercedes ein geschichtsträchtiges Rennen gelungen: Der Rennstall sicherte sich die Konstrukteurs-WM. „Wir sind die Besten“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, „er ist so viel wert für uns als Automobilhersteller, dieser erste Titel als Konstrukteur. Toll, dass wir es in diesem Jahr schaffen, das wir das so akribisch vorbereitet haben.“ Der Österreicher präsentierte stolz ein Leibchen mit dem Aufdruck: World Champion 2014 – F1 W05 Hybrid. Damit wurde der Silberpfeil mit dem Namen F1 W05 Hybrid geadelt. Konstrukteurs-Primus war Mercedes als eigenständiges Team noch nie, der Titel wurde erst 1958 eingeführt, da war die Ära der Silberpfeil der 1950er Jahre bereits beendet.

Zu den Gratulanten zählte Christian Horner, Teamchef des entthronten Champions Red Bull. „Mercedes hat demonstriert, was das Team draufhat“, sagte der Engländer, „die Leute haben einen super Job gemacht. Wir hatten die Team-WM die vergangenen vier Jahre und wollen sie uns 2015 zurückholen.“ Der Erfolg zahlt sich natürlich auch finanziell aus: Schätzungsweise 71 Millionen Euro kommen nach Saisonende aus der prall gefüllten Formel-1-Schatulle von Promoter Bernie Ecclestone in die Mercedes-Mannschaftskasse.

Nico Rosberg konnte über diesen Erfolg nicht ausgelassen jubilieren, obwohl er seit Beginn der neuen Ära im Jahr 2010 zum Team zählt. „Es freut mich für alle Mitarbeiter“, sagte der 29 Jahre alte Wahl-Monegasse, „wir hatten sehr harte Zeiten zu überstehen, nun sind wir so dominant. Das ist etwas Tolles.“ Doch der WM-Schampus war für den Deutschen nicht nur mit einem Wermutstropfen verunreinigt, sondern gleich mit einigen kräftigen Schlucken. In Kurve eins direkt nach dem Start drängte er sich an Lewis Hamilton vorbei, doch Rosberg bremste zu hart, handelte sich einen Bremsplatten ein, klagte über Vibrationen am Auto und steuerte nach Runde eins die Box zum Reifenwechsel an. „Das war so unnötig“, ärgerte sich der Russland-Zweite, „ich habe mich völlig verschätzt. Ich war innen, es wäre meine Kurve gewesen. Wäre das nicht passiert, hätte ich gewinnen können.“ Rang zwei war Schadensbegrenzung, mehr nicht. Rennstall-Aufsichtsratschef Niki Lauda wollte Rosberg dennoch loben: „Dass er von ganz hinten auf Rang zwei gefahren ist, war schwieriger, als es für Lewis war, das Rennen zu gewinnen.“ Ein Trost war das dem WM-Zweiten sicher nicht.

Nun liegt Hamilton im WM-Klassement 17 Zähler vor Rosberg, und noch drei Rennen stehen aus. Es ist unrealistisch zu glauben, Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo könne in dieses Duell noch eingreifen. „Mercedes ist so dominant, wir geben unser Bestes, das wird aber kaum reichen“, sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Ziemlich sicher schnappt sich Mercedes beim Saisonfinale in Abu Dhabi am 23. November den nächsten Titel. Die Frage ist nur: Wer?