Fachsimpeln in der Liederhalle: Sportredakteur Jürgen Kemmner (Mi.) befragt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff (li.) und Nachwuchspilot Pascal Wehrlein. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Treffpunkt Foyer: Lockerer Teamchef, unterhaltsamer Youngster: Die Mercedes-Motorsportler haben sich beim Treffpunkt Foyer unserer Zeitung auf das Formel-1-Heimspiel in Hockenheim eingestimmt.

Stuttgart - „Model, Friseur, Lehrer, Nachrichtensprecher oder Fußballer, weil er aussieht wie Götze und Co.“ – eine Umfrage auf der Königstraße in Stuttgart neulich war doch sehr facettenreich. Den Passanten wurde ein Foto des Formel-1-Piloten Pascal Wehrlein gezeigt. Der sah sich den Film am Dienstagabend in Stuttgart an und musste doch sehr schmunzeln. Immerhin: einer der Befragten hat ihn erkannt.

Kurz vor dem Heimrennen am Sonntag in Hockenheim haben sich Pascal Wehrlein und der Mercedes-Sportchef Toto Wolff die Zeit genommen, noch einen Abstecher nach Stuttgart in die Liederhalle zu machen. Dort unterhielten sie sich beim Treffpunkt Foyer unserer Zeitung mit Sportredakteur und Motorsport-Experte Jürgen Kemmner – und dort sahen die beiden auch die Umfrage. Um was es ging? Klarer Fall: Auch um die Zukunft von Wehrlein in der Formel 1.

Wehrlein braucht Geduld

Seit Saisonbeginn ist der letztjährige DTM-Champion in der Königsklasse dabei. Noch nicht bei Mercedes, aber beim kleinen Manor-Team. Das statten die Stuttgarter mit Rennmotoren aus, und bei Manor macht der Mercedes-Junior aus Worndorf im Landkreis Tuttlingen in der besten Serie der Welt seine ersten Erfahrungen. Er wurde sozusagen in die Fahrschule geschickt. Durch Nico Rosbergs Vertragsverlängerung steht jedoch fest: Rosberg und Lewis Hamilton sitzen bis 2018 im Silberpfeil. Wehrlein braucht also Geduld.

Wann glaubt er, dass er im Mercedes sitzt? „Ich bin ja schon fest vom nächsten Jahr ausgegangen, aber . . .“, sagte der für lockere Sprüche bekannte Rennfahrer und erntete dafür den Applaus der mehr als 500 Zuschauer. Doch verstehe er, dass das Team gerade sehr gut aufgestellt sei mit Rosberg und Hamilton. „Momentan sind sie sehr dominant, und ich habe auf diese Weise Zeit, mich an die Formel 1 zu gewöhnen.“ Toto Wolff vernahm die braven Worte des Geduldigen gern. Er beruhigte den Mann, den er 2010 am Norisring kennenlernte und damit begann, ihn zu fördern. „Die meisten Topfahrer sind viele Jahre in kleineren Team gewesen, wo sie ausgebildet wurden“, sagte der Mercedes-Sportchef und dachte da etwa an Fernando Alonso, der bei Minardi das Fahren lernte.

Reizthema trübt Wolffs Laune nicht

Wolff setzt aber weiter fest auf Wehrlein, das stellte er in Stuttgart erneut klar. „Wir wollen Pascal behutsam aufbauen. Er muss bei Manor viele Dinge lernen, um später mal eine Weltmeisterschaft zu gewinnen.“ Wenn er es sogar schaffe, über zehn Titel zu holen, versprach der Österreicher, „dann werde ich beim nächsten Foyer-Besuch für Pascal Rosen streuen“. Der Rennfahrer hat sich das notiert – und dafür gab es jetzt für Wolff Applaus, der sich in der Liederhalle als gewohnt lockerer Unterhalter präsentierte und selbstironisch Auskunft über so manches Malheur beim Freizeitsport gab („Ich bin ein wenig verletzungsanfällig, und ich mache jetzt nur noch Brustschwimmen“). Auch das Reizthema bei Mercedes konnte die gute Laune des Sportchefs nicht trüben.

Wolff versteht die Rennfahrer und ihren Ehrgeiz

Immer wieder geht es um den Dauerstreit zwischen Hamilton und Rosberg – seit Jahren schon. „Wir wollten die Fahrer halten, trotz aller Schwierigkeiten“, sagte Wolff im Hinblick auf Rosbergs Vertragsverlängerung. Und: „Beide fahren um die Weltmeisterschaft, beide fahren in ihrer eigenen Liga, das ist eine untypische Situation.“ Stolz ist er vor allem darauf, dass es trotz der ewigen Streitereien gelungen sei, die Fahrerpaarung weiterzubeschäftigen. „Wir sind im vierten Jahr mit den beiden, und es ist noch keinem Team gelungen, solange zwei Alpha-Tiere zusammenzuhalten“, erklärte Wolff. Auf diese Leistung des Mercedes-Teams ist der Motorsportchef auch ein bisschen stolz.

Ohnehin sorgt das hart geführte Mercedes-Duell ja auch für beste Unterhaltung. Wolff versteht die Rennfahrer auch in ihrem Ehrgeiz. „Danke an meine Jungs’, das sagen sie nach dem Rennen immer – doch das wichtigste ist für sie eben der Fahrertitel“, meinte der Österreicher, der den Egoismus der Piloten durchschaut hat und toleriert. Außerdem sei es so: „Wir wollen diese aggressiven Fahrer im Auto ja haben.“ Auch ihre Eigenheiten werden akzeptiert. Von ihm aus könne Hamilton vor einem Rennen dreimal um die Welt fliegen und alles Mögliche machen. „So lange die Leistung stimmt, ist das okay.“

Wolff ist zufrieden mit seinen Jungs

Beide, Hamilton und Rosberg, polarisieren, beide haben ihre Fans und Gegner. Toto Wolff ist sehr zufrieden mit seinen Jungs, vor allem im Hinblick auf die Außendarstellung. „Solche Piloten sind gut für die Marke, sie halten Mercedes hipp.“ Doch wenn man sich gegenseitig ins Auto fährt, ist der Bogen überspannt, dann werden sie zur Besinnung gerufen, „denn sie tragen Verantwortung“, sagte Wolff im Hinblick auf die 1500 Mitarbeiter, die in den beiden Mercedes-Fabriken in England alles dafür tun, dass Rosberg und Hamilton überhaupt so erfolgreich sind. Wolff: „Sie sollen sich fair duellieren, ohne sich zu berühren. Sollte das nicht funktionieren, haben wir einen Strafenkatalog.“

Am Wochenende geht es nach Hockenheim – und alles andere als ein Doppelsieg wäre wohl eine Enttäuschung. Was Wolff problematisch sieht. Die Erwartungshaltung ist enorm. „Wenn wir mal ein Rennen auf Platz drei und vier beenden, dann spricht man von einem Desaster. Deshalb muss man geerdet sein. Es kann eines Tages auch wieder zäher werden für uns“, erzählte der Sportchef über die Last der Dauersieger.

Wehrlein kann erstes Heimspiel kaum erwarten

Pascal Wehrlein wäre dagegen schon froh über einen Punkt in Hockenheim. „Ich kann mein erstes Heimspiel kaum erwarten“, sagte der Rennfahrer, den viele zwar kennen, der aber noch nicht weltberühmt ist. Nach dem sympathischen Auftritt am Dienstagabend im Mozartsaal der Liederhalle sind aber sicher einige Fans dazugekommen.