Fliegt bestens gelaunt zu den Formel-1-Testfahrten nach Jerez: Silberpfeil-Pilot Nico Rosberg Foto: Getty

2014 ist Nico Rosberg im Titelrennen seinem Teamkollegen Lewis Hamilton unterlegen. Er hat viel analysiert, dieses Jahr ist der Silberpfeil-Pilot überzeugt, häufiger das Optimum zu erreichen.

- Herr Rosberg, wie haben Sie Ihren Urlaub genutzt, um aufzutanken?
Es war sehr schön, wieder Zeit mit Freunden und der Familie zu verbringen, Sport zu machen. Entscheidend für meinen Wohlfühlfaktor ist, nicht nach einem Terminkalender leben zu müssen. Wenn ich mich in einer längeren Phase befinde, in der ich keine Verpflichtungen habe, dann kann ich richtig genießen. Das bedeutet Freiheit für mich.
Und wenn Ihnen danach ist, kurz zur Fashion Week nach Berlin zu jetten.
Nein, das war Arbeit. Ich habe Mercedes repräsentiert. Sicher, es gab den einen oder anderen Moment, der sehr angenehm war.
Aber der Genuss kam offenbar zu kurz.
Genuss ist für mich, Autorennen zu fahren.
Und damit sind wir mitten im Thema. Wie schnell konnten Sie nach dem WM-Finale 2014 den Reset-Knopf im Kopf drücken?
Ja, das funktionierte sehr schnell – erfreulicherweise. Der sportliche Erfolg und auch die Niederlage, das sind sehr schnelllebige Dinge, die bei mir zum Glück keinen Einfluss auf mein Leben allgemein ausüben. Die Normalität kehrte sehr schnell zurück, und das war im Grunde auch schön.
Wie haben Sie sich in der Winterpause auf die kommende Saison vorbereitet?
Ich habe analysiert, in welchen Dingen ich mich verbessern kann.
Ist das Ergebnis ein Geheimnis?
Nicht unbedingt. Da geht es um die psychische Vorbereitung und natürlich darum, dass ich körperlich noch fitter bin. Da geht es etwa um Reaktionsschnelligkeit. Das Problem eines Rennfahrers ist, dass er nicht trainieren kann wie ein Tennisspieler, der jeden Tag mehrere Stunden auf dem Platz üben kann.
Haben Sie eine Antwort auf die Frage gefunden, warum Sie die meisten Quali-Duelle gegen Lewis Hamilton gewonnen haben, in den Großen Preisen aber lediglich fünf im Gegensatz zu elf Siegen feiern konnten?
Ich muss etwas finden, damit ich meine Performance in der Qualifikation im Rennen umsetzen kann. Darum geht es hauptsächlich. Einige Male bin ich vor Lewis gestartet, doch ich konnte mich aus verschiedenen Gründen nicht behaupten, und er hat mich überholt. Das sind diese kleinen, aber wichtigen Nuancen, die ich noch verbessern kann. Und natürlich ist es immer wichtig, am Speed zu arbeiten, dort weiter zuzulegen.
Wie trainiert man das, in der ersten Kurve konsequenter zu sein?
Man muss zurückschauen und verstehen, was genau in dieser speziellen Situation passiert ist, und daraus muss man die richtigen Schlüsse ziehen. Aus den eigenen Fehlern lernt man am meisten für die Zukunft, das werde ich tun – und ich werde deshalb 2015 häufiger das Optimum treffen.
Aus der Niederlage positive Energie ziehen.
Das ist der Punkt.
Ist es für Sie ein Vorteil, dass Hamilton schon zwei WM-Titel hat? Sind Sie gieriger?
Nein, das ist Quatsch. Ich kann nicht sagen, wie hoch seine Motivation ist. Ich kann nur sagen, dass ich absolut motiviert bin, weil ich sehr nah dran war, weil ich in der vergangenen Saison erlebt habe, wie angenehm sich Erfolge anfühlen. Dieses Gefühl treibt mich an, das möchte ich noch häufiger haben dieses Jahr. Dass ich so knapp geschlagen wurde, das gibt mir einen Extra-Schub.
In Brackley arbeiten alle für den Erfolg.
In der Firma dort und im Motorenwerk Brixworth, da spürt man richtig die Innovation, die hier drinsteckt; es ist eine ganz besondere Art der Zusammenarbeit. Diese Level in Kompetenz und Ehrgeiz sind einzigartig. In der Fabrik arbeiten sie die ganze Nacht, wenn es sein muss – das findet man selten in Unternehmen. Da hat jeder Einzelne eine Liebe für den Sport. Da ist jeder stolz darauf, den Silberpfeil bauen zu dürfen.
Stuttgart ist jetzt ganz außen vor?
Stuttgart ist das Hauptquartier, da sitzt der Vorstand. Ohne sein Durchhaltevermögen wäre das Jahr 2014 nicht möglich gewesen. Der Vorstand hat sich in der schwierigen Phase nicht aus der Formel 1 zurückgezogen wie andere Hersteller. Im Gegenteil, man hat sich gesagt: Jetzt erst recht! Sie dürfen den technischen Support nicht unterschätzen. Wir stehen nur ganz vorne dank Know-how aus Sindelfingen und aus anderen Bereichen, die uns bei der Hybridentwicklung vorangebracht haben. Dann kommt das Marketing: Ohne diese Arbeit würden wir den Stern nicht strahlen lassen – das ist am Ende unser gemeinsames Ziel. Ich sage Danke nach Stuttgart, sonst wäre diese Dominanz nicht möglich gewesen. Die gesamte Mercedes-Familie, und damit meine ich alle Mitarbeiter, kann stolz darauf sein.
Glauben Sie, dass es möglich sein wird, die Erfolgsserie von 2014 zu wiederholen?
Nichts ist unmöglich.
Das ist der Slogan eines Konkurrenten. Wie wäre es mit „Das Beste oder nichts“?
Dann: Das Beste!
Kurve gekriegt. Wie wichtig wäre es für Sie, in der WM gleich zu Beginn vor Hamilton zu liegen – als Ausrufezeichen?
Es wäre wichtig, die Saison stark anzufangen. Was Besseres könnte nicht passieren.
Wir reden so selbstverständlich vom WM-Duell Rosberg gegen Hamilton – dürfen wir denn davon ausgehen, dass der Silberpfeil wieder so überlegen sein wird wie 2014?
Da sollten wir nicht zu sicher sein, es ist viel Zeit seit dem letzten Rennen vergangen. Wir müssen erstmal den Ball flach halten, wir sind vorsichtig optimistisch, weil wir an uns glauben und ein tolles Team haben. Wir wissen, dass die Konkurrenz auch gearbeitet hat und stark sein wird. Wir müssen abwarten und sehen, wo wir genau sind. Dann werden wir sehen, ob wir noch nachlegen müssen.
Sie haben kürzlich gemeint, Sebastian Vettel werde meist nur Ihre Rücklichter sehen.
Ich habe auf eine entsprechende Frage mit „Ja“ geantwortet. Ich bin der Meinung, dass sich das neue Team von Sebastian noch in der Aufbauphase befindet und es noch etwas dauern wird, bis es ganz vorn dabei ist.
Wie damals, als Michael Schumacher zu Ferrari gegangen ist – er wurde auch erst in seiner fünften Saison Weltmeister mit der Scuderia.
Es ist schwierig, diesen Vergleich zu ziehen. Es war eine andere Zeit. Aber es dauert auf jeden Fall seine Zeit, bis ein Team reif wird, wieder um den Titel zu kämpfen.
Und Rückkehrer Honda? Ist mit Fernando Alonso im McLaren zu rechnen?
Es ist toll, dass die wieder dabei sind. Es wird die Formel 1 spannender machen, es ist eine gute Sache für den Sport.
Wen würden Sie neben sich und Ihrem Teamkollegen zu den WM-Favoriten zählen?
Vergangene Saison zählten Williams und Red Bull zu unseren ernsthaftesten Verfolgern, mit denen sollte man auch 2015 auf jeden Fall wieder rechnen.
Wie groß ist die Vorfreude vor dem Test-Auftakt in Jerez an diesem Sonntag?
Wirklich sehr groß. Ich habe so viel über unser neues Auto gehört, so viele Zeichnungen auf dem Papier gesehen – da ist es höchste Zeit, den Silberpfeil endlich fahren zu dürfen, das Gefühl für das Fahrzeug zu bekommen, die Technik verstehen zu lernen.
Im Simulator haben Sie doch sicher schon unzählige Stunden verbracht?
Eine Simulation läuft über einen Computer – es ist schon eine deutliche Nuance anders, wenn man richtig im Auto sitzt und über eine echte Straße fährt.
Bedeutet es Ihnen etwas, dass in diesem Jahr Sie als Erster den neuen Silberpfeil auf die Strecke fahren werden?
Ja, klar, weil das ganze Team auf diesen Moment hingearbeitet hat und jeder auf diesen Augenblick wartet. Dafür bin ich dankbar.