Süßsaures Lächeln: Mercedes-Pilot Nico Rosberg hat sich aus dem Titelrennen der Formel 1 verabschiedet Foto: dpa

Eigene Fehler und ärgerliche Defekte werfen Silberpfeil-Pilot Nico Rosberg aus dem Formel-1-Titelrennen – und sein Teamkollege Lewis Hamilton rechnet im nächste Jahr vielmehr mit Sebastian Vettel.

Stuttgart - Nico Rosberg war nicht zum Feiern zumute. Die laute Musik nervte nur, und fürs Anstoßen mit Champagner war er erst recht nicht in der Lage. „Über den Gewinn der Konstrukteurs-WM kann ich mich nicht freuen. Das ist ein total doofer Moment, den Titel zu gewinnen“, stöhnte der 30-Jährige, „toll für alle, aber bei mir braucht das jetzt erst mal ein bisschen.“ So machte die übrige Mercedes-Mannschaft Party, und der Deutsche trollte sich zügig.

Die Geschehnisse des russischen Grand Prix sich setzen zu lassen, das wird wahrscheinlich ein bisschen länger dauern. Der neuerliche Nackenschlag in Sotschi war für den Mercedes-Piloten ein besonders schmerzhafter. Er hatte im Rennen geführt, er sah sich auf bestem Weg, Teamkollege Lewis Hamilton endlich wieder einmal zu besiegen – dann versagte ein Dichtring, und der gebürtige Wiesbadener musste den Silberpfeil nach Runde sieben abstellen. Statt sieben Punkte auf den Stallrivalen und WM-Spitzenreiter gutzumachen, hat Rosberg 25 verloren – garniert mit der bitteren Erkenntnis, dass auch 2015 nicht das Jahr werden wird, in dem der Formel-1-Champion Rosberg heißt. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ein Seuchenjahr ist“, klagte der Vizeweltmeister, der in der WM-Wertung nun sogar hinter Sebastian Vettel zurückgefallen ist.

Ein Seuchenjahr. Egal, was Nico Rosberg auch macht, er kommt einfach nicht an Hamilton heran, geschweige denn am Briten vorbei. Es kommt alles Negative zusammen: eigene Fehler, ungünstige Bedingungen und ärgerliche Defekte. In Japan verbockte Rosberg auf der Pole-Position den Start, Hamilton zog vorbei und gewann. In Silverstone erwischte der Brite bei einsetzendem Regen den richtigen Zeitpunkt für den Reifenwechsel, der Deutsche war zu spät dran und wurde nur noch Zweiter. Und selbst, wenn Rosberg überhaupt nichts anzukreiden war, schlug das Pendel des Schicksals zugunsten des ungeliebten Silberpfeil-Kollegen Hamilton aus – ein Reifenschaden in Ungarn fünf Runden vor dem Ende, ein Motorplatzer in Monza zwei Runden vor Schluss, nun der defekte Dichtring am Gaspedal in Sotschi.

Mehr als Trost kann Toto Wolff seinem Mitarbeiter nicht spenden. „Es tut mir unendlich leid für Nico“, sagte der Mercedes-Motorsportchef, „ich ziehe meinen Hut davor, wie er mit der Situation umgeht. So enttäuscht er sein mag – er weiß, dass er jetzt auf 2016 umschalten muss, um dann zurückzuschlagen.“ Wolff nimmt es vorweg: Der Titel ist im Grunde vergeben – Hamilton hat 66 Punkte Vorsprung vor Vettel und 73 vor Rosberg, schon in Austin kann der Engländer am 25. Oktober seinen dritten Titel nach 2008 und 2014 festzurren. „Es ist die beste Zeit meiner Karriere“, sagte er in Sotschi.

Ob Fehler oder Pech – in Summe verfestigt sich das Bild: Nico Rosberg ist die Nummer zwei, er kann Hamilton gelegentlich, aber nicht auf Dauer besiegen. Dieses Brandzeichen dürfte den 30-Jährigen noch mehr schmerzen als sein Ausfall. Zwar hat er versprochen, er werde „stark zurückkommen“, doch wie sehr ihn diese latente Hierarchie wirklich belastet, ob sie nicht gar am Selbstvertrauen zehrt, diese Antwort kann er nur selbst geben. Hamilton, das mag die Rosberg-Fans erschrecken, hat den Teamkollegen für 2016 im Titelrennen gar nicht im Blick – er freut sich vielmehr auf „spannende Duelle mit Vettel“. Es muss keiner eine prophetische Ader besitzen, um zu verkünden: Wenn Hamilton den WM-Titel 2015 feiert, wird Nico Rosberg keinen Spaß haben und die Party des Grauens so früh wie möglich verlassen.