Nichts geht mehr: Mercedes-Pilot Nico Rosberg muss aufgeben Foto: dpa

Die Formel 1 hat sich aus Europa verabschiedet und Nico Rosberg muss die Führung in der WM an Lewis Hamilton abgeben. Richtig glücklich ist bei Mercedes außer dem Briten keiner.

Singapur - Perfekt. Absolut perfekt. Anders kann Lewis Hamilton sein Rennwochenende in Singapur eigentlich nicht beschreiben. Die Pole-Position am Samstag, der Grand-Prix-Sieg inklusive der schnellsten Rennrunde am Sonntag und als Sahnehäubchen obendrauf gab es noch die Führung in der Fahrerwertung der Formel-1-WM. „Ich habe mir das in der Nacht zuvor so erträumt“, sagte der Brite nach der Champagnerdusche auf dem Podium, „und es ist tatsächlich so gekommen. Ich hatte das gesamte Rennen über ein großartiges Gefühl.“

Katastrophal. Unglaublich katastrophal. Für Hamiltons Teamkollege Nico Rosberg gab es im Nachtrennen das Kontrastprogramm. Die Pole-Position hatte er um sieben Tausendstelsekunden verpasst, was noch erträglich war – doch dann erlebte der gebürtige Wiesbadener einen schwarzen Sonntag, wie er frustrierender kaum sein konnte. Wegen massiver Elektronikprobleme blieb er beim Start zur Einführungsrunde stehen, trotz eines Software-Resets vor dem Start aus der Boxengasse steckte im System von Rosbergs Silberpfeil weiter der Fehlerteufel. „Direkt als ich eingestiegen bin, hat das Lenkrad auf einmal nicht mehr funktioniert, nur die Gangschaltung noch“, stöhnte der 29-Jährige Rosberg später, „und auf einmal ging es wieder, dann ging es wieder nicht.“ Selbst Lenkradwechsel sowie Neustarts des gesamten Fahrzeug-Programmes vor dem Start nützten nichts – der Silberpfeil blieb schwer angeschlagen. „Im Rennen ging gar nichts mehr außer den Gängen.“

Derart gehandicapt kam der Deutsche selbst am sonst hoffnungslos unterlegenen Caterham nicht vorbei, so dass Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff beim ersten Stopp nach 14 Runden entschied, das Auto nicht mehr auf die Strecke zu schicken. „Es hatte am Ende keinen Sinn mehr“, erklärte Rosberg, „es war wahrscheinlich eine Kleinigkeit, die kaputt gegangen ist.“

Es wird den WM-Zweiten kaum trösten, dass er mit dieser Einschätzung wohl richtig lag – ersten Untersuchungen zufolge war ein Kabel in der Lenksäule gebrochen. Aufgrund der Parc-fermé-Bestimmungen, wonach am Auto zwischen Qualifying und Rennen nicht gearbeitet werden darf, blieb der Schaden zwangsläufig unbemerkt. „Ich bin enttäuscht, schon wieder ein Problem mit der Zuverlässigkeit“, ärgerte sich Rosberg, „das ist eine Schwäche, die wir als Team haben. Das müssen wir verbessern.“ Weitere Kommentare verkniff er sich, „heute sage ich besser nichts mehr – das wäre nicht gut.“

Der Silberpfeil mag das schnellste und überlegene Auto im Feld sein, doch zu oft verhindern Pannen eine höhere Punktausbeute. „Wir können nur zur Hälfte lachen“, bekannte Toto Wolff, „wir müssen uns bei Nico entschuldigen für einen Fehler, der auf die Kappe des Teams geht.“ Die Lenksäule wird komplett aus dem Fahrzeug ausgebaut und in den nächsten Tagen im Formel-1-Werk in Brackley unter die Lupe genommen. „Wir haben unsere Arbeit nur zu 50 Prozent erfüllt“, räumte auch Rennstall-Aufsichtsratschef Niki Lauda verärgert ein.

Verschärft wird diese mangelnde Zuverlässigkeit dadurch, dass Nico Rosberg und Lewis Hamilton ein erbittertes Duell um den Titel führen – des einen Leid ist zwangsläufig des andern Freud. Noch hält sich die Verteilung der Pannen in etwa die Waage. Immerhin. „Ich glaube“, rechnete Niki Lauda vor, „Lewis war dreimal betroffen, Nico nun zweimal. Es hält sich im Gleichgewicht.“ Schon jetzt kursieren in allen möglichen Kanälen Theorien über Bevorzugung, Benachteiligung und Verschwörungen. Sollte das Pendel der Pannen zu sehr in eine Richtung ausschlagen, dürfte das ohnehin arg strapazierte kollegiale Miteinander in der Mercedes-Box noch stärker leiden. „Diese Defekte dürfen nicht weitergehen“, mahnte Lauda deshalb, „wir müssen unseren beiden Fahrern die gleichen Chancen geben.“

Richtig zufrieden war bei Mercedes in Singapur lediglich der Grand-Prix-Sieger und seine Entourage. „Nico erreichte heute nicht das Ziel“, sagte der 29 Jahre alte Brite artig und ganz im Sinn der vorgegebenen Sprachregelung, „es war kein perfekter Tag für das Team.“ Aber ein absolut perfekter Tag für Lewis Hamilton.