Esther Fingerle, Hans Peter Wollseifer, Rainer Wieland, Rainer Reichhold und Kathrin Adamski (von links) debattieren über die Forderungen des Handwerks an die Politik. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Auf einer Podiumsdiskussion des Handwerks in Stuttgart geht es um die Forderung an die Politik. Im Mittelpunkt stehen die berufliche Bildung und der Bürokratieabbau. Besonders strittig: der Meisterbrief und die EU.

Stuttgart - Egal, wer die Bundestagswahl im September gewinnt, Angela Merkel oder Martin Schulz: „Das Handwerk möchte Einfluss nehmen auf den Kurs des zukünftigen Kanzlers“, sagte Rainer Reichhold am Freitag bei der Bundesverbandstagung der Betriebswirte des Handwerks. Reichhold ist Landeshandwerkspräsident und war zu Gast bei der Diskussionsveranstaltung, die bei der Handwerkskammer Region Stuttgart unter dem Titel: „Handwerk im Wahljahr 2017“ stattfand.

„Wir brauchen mittelstandsfreundliche Bedingungen in Deutschland und in Europa,“ forderte Reichhold. Das bedeute, dass sich die Politik stets fragen müsse: „Brauchen wir dieses Gesetz wirklich, oder baut es nur neue Bürokratiehürden auf?“

Am Ende muss der Chef ran

Bürokratieabbau ist eines der zentralen Themen, welche die Handwerker im Bundestagswahlkampf ansprechen wollen. Auch Esther Fingerle, Raumausstattermeisterin und CDU-Stadträtin, beklagte eine hohe bürokratische Belastung: „Bei Kleinbetrieben bleibt das dann beim Chef liegen. Dabei ist es am Ende egal, ob die Vorschriften aus Berlin oder Brüssel kommen“, sagte sie.

Rainer Wieland (CDU), der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, betonte, dass die deutsche Politik oftmals dazu neige, EU-Richtlinien „schneller und strenger“ umzusetzen. Auch werde vom Bundestag und den Landesparlamenten gerne zusätzlich draufgesattelt. „Es wird häufig der Eindruck erweckt, dass uns Europa Unmengen kostet – aber das ist nicht richtig“, betonte Rainer Wieland.

Große Sorge um den Meisterbrief

Deutlich wurde auch die große Sorge des Handwerks um den Meisterbrief. Anlass ist das von der EU-Kommission geplante Dienstleistungspaket, das es Betrieben erleichtern soll, auch in anderen EU-Staaten tätig zu werden. „Wir halten das für rechtswidrig und unnötig“, sagte Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). „Wir brauchen den Meister an der Spitze des Dualen Systems, er ist das identitätsstiftende Fundament.“ Dem entgegnete Wieland, dass Deutschland „der Hauptprofiteur des Binnenmarktes“ sei: Man müsse nun auf die anderen Mitgliedsstaaten zugehen und „darüber reden, was uns stark macht“.

Auch bei der beruflichen Bildung sieht das Handwerk noch Ausbaubedarf. „Wir brauchen gute Akademiker, keine Frage, aber wir brauchen auch gute Fachkräfte“, sagte der ZDH-Präsident Wollseifer. „Wir benötigen parallel zum Hochschulpakt einen nationalen Berufsausbildungspakt“, fügte er hinzu. Rainer Reichhold fügte hinzu, man müsse Meisterschüler finanziell entlasten.