Einer gegen alle: Tom Brady beim Media Day inmitten einer Vielzahl von Journalisten Foto: dpa

Joe Montana und Terry Bradshaw sind Football-Ikonen, beide haben viermal im Super Bowl triumphiert. Das könnte auch Tom Brady gelingen – aber selbst dann hätte er einen schweren Stand.

Glendale - Es gehören ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und eine ordentliche Portion Gelassenheit dazu, sich inmitten von einigen Hundert Journalisten zu präsentieren – wenn Dutzende Kameras auf einen gerichtet sind, Blitzlichter um einen zucken, als stünde der Weltuntergang bevor, muss man ein durch und durch cooler Kerl sein, um keine Angstzustände zu bekommen. Tom Brady ist so ein Typ, der in solchen Situationen nicht die Nerven verliert – er hat diesen Media Day vor dem Super Bowl schon sechsmal als Hauptdarsteller mitgemacht. Wenn er in der Nacht zum Montag (0.30 Uhr/Sat 1) mit seinen New England Patriots im NFL-Finale gegen die Seattle Seahawks steht, ist es das sechste Mal, dass der 37 Jahre alte Footballer beim größten Sport- und Medienereignis der USA als Spielmacher aufläuft.

Für einen Liebling der Sportfans wäre der Media Day eine glänzende Gelegenheit, sich selbst zu vermarkten – Mister Tom Brady ist allerdings ist nicht Everybody’s Darling. Er ist womöglich der meistgehasste Quarterback der NFL. Mal verärgert seine Direktheit („Ich hasse die New York Jets“), manche stören sich an seinem Jähzorn; es sollen Billard-Queues geknickt worden und Backgammon-Bretter geflogen sein, wenn er mal ein Spielchen verloren hat. Manche neiden ihm den Erfolg. Dann werden private Mails von Ehefrau Gisele Bündchen („Tommy braucht wirklich unsere Gebete, unsere Unterstützung und unsere Liebe. Bitte betet für ihn, damit er sich sicher, gesund und stark fühlt“) dem aggressiven Boulevard-Blatt „New York Post“ zugespielt.

Natürlich wollen Medienvertreter von Brady am Media Day Aussagen hören wie: „Als kleiner Junge habe ich noch nicht mal damit gerechnet, in nur einem Super Bowl zu spielen.“ Aber eigentlich ist es für einige von ihnen ein willkommener Anlass, um den Sportprofi hart zu checken. Der Schreiber der „USA Today“ gehört zu denen. „Nun wissen wir, warum Tom Brady immer diese lächerliche Mütze mit dem kleinen Bommel obendrauf trägt“, ätzte der Reporter. Die Ursache war im Grunde eine Lächerlichkeit – der Patriots-Star war mit verstrubbelter Mähne erschienen. Man darf sich sicher sein: Tom Brady werden diese Sätze nicht stören, „Tom Terrific“ (der fürchterliche Tom) hat schon schlimmere Situationen überstanden, ohne auf der Couch eines promovierten Seelenklempners gelandet zu sein. Sein lapidarer Kommentar zu der Diskussion um die zu weichen Bälle im Halbfinale gegen die Indianapolis Colts (45:7) ist auch so ein Fall – was Brady auch gesagt hätte, man konnte es garantiert falsch verstehen. „Es geht hier nicht um ISIS, niemand stirbt“, meinte er zur nationalen Aufregung über die (leichte) Regelverletzung. Man hätte über diese Petitesse schreiben können: Recht hat er; aber natürlich hagelte es Kritik, als hätte der Patriots-Star bei der Nationalhymne seine rechte Hand nicht aufs Herz gelegt.

Irgendwie erscheint diese weit verbreitete Ablehnung ungerecht, ja sogar ziemlich unamerikanisch – schließlich personifiziert der Kalifornier den amerikanischen Traum. Dafür werden andere inbrünstig geliebt. Gegen alle Widerstände hat sich Brady zu einem der besten Quarterbacks hochgekämpft. Bei seinem Profi-Debüt 2001 waren sich alle einig: zu langsam, zu dürr, zu schlecht. Beim Draft wurde er als 199. Spieler ausgewählt, bis ihn die Patriots als vierten Spielmacher eher für die Bank als fürs Spielfeld verpflichteten. Seitdem hat Brady verbissen an sich gearbeitet und Rückschläge wie eine Knieverletzung gemeistert. Mit Gisele Bündchen und den drei Kindern führt er das Leben einer Bilderbuchfamilie, negative Schlagzeilen aus dem Privatleben gibt es nicht.

Aber Tom Brady bleibt ein Ungeliebter. Daran wird wohl auch der nächste Ring am Finger wenig ändern. Auch nicht die Tatsache, dass der Spielmacher mit dem vierten Titelgewinn mit den hoch verehrten Football-Ikonen Joe Montana und Terry Bradshaw gleichziehen würde. Wahrscheinlich ist das Tom Brady schnuppe. Er fühlt sich auch inmitten von lauter Gegnern nicht unwohl oder ängstlich. Er ist eben ein Großer.