Haben der Verschwendung von Lebensmitteln den Kampf angesagt: Maximilian Kraft und Jana Pfeifer Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Sechs Foodsharer haben im Merlin für einen Tag das Café Raupe immersatt eröffnet. Das Ziel steht schon im Namen: Sie wollen den Überfluss an Lebensmitteln stärker ins Bewusstsein rücken.

Stuttgart - Der Kaffee war anfangs doch noch recht stark. Die richtige Dosierung hatten Maximilian Kraft und Jana Pfeiffer bei der Kaffeemaschine im Kulturzentrum Merlin noch nicht gleich raus. Doch für die, denen der Kaffee zu bitter war, gaben sie großzügig Milch umsonst aus. Umsonst ist überhaupt das Konzept von Kraft und Pfeiffer: Am Samstag haben sie für einen Tag im Merlin ein gemeinnütziges Café betrieben. Raupe immersatt haben sie es genannt. Ihr Ziel steht schon im Namen: Sie wollen den Überfluss an Lebensmitteln stärker ins Bewusstsein rücken. Jährlich werden tonnenweise Obst, Brot, Gemüse und Fleisch weggeworfen. Es wird zu viel produziert – ein Luxusproblem in vielen der großen Industrieländer.

Raupe immersatt, das sind neben Kraft und Pfeiffer Lisandro Behrends, Maike Lambarth, Simon Kostelecky und Axel Kalitzki, alle aus Stuttgart. Für ihr Caféprojekt haben sie bei allen ihren Kooperationspartnern Essensreste, die sonst weggeworfen worden wären, eingesammelt und ihren Besuchern geschenkt. Nur die Getränke mussten die Gäste des Kurzzeit-Cafés bezahlen. „Das Geld geht aber ans Merlin“, sagt Maximilian Kraft. „Wir verdienen bei der Aktion nichts.“ Die Gäste finden das „super geil“, wie Hannah Günter sagt. „Das ist eine sehr wichtige Sache“, ergänzt die Kunststudentin. Sie hatte über eine Kommilitonin davon gehört und war deshalb mit vier Freundinnen ins Merlin gekommen. „Es schafft wieder mehr Bewusstsein für unser Essen.“ Der Umgang damit in unserer Gesellschaft sei doch sehr ausbaufähig. Sie selbst versucht das nun auch in ihren Alltag einzubauen. „Ich kaufe öfters ein und dafür weniger.“

Das Merlin passt perfekt für den ersten Versuch

Bis Samstag gab es das Projekt der sechs Stuttgarter Lebensmittelretter nur im Internet. Mit mehr als 600 anderen engagieren sie sich seit etwa zwei Jahren auf der deutschlandweit vernetzen Plattform Foodsharing. In Stuttgart haben sie sich schon ein größeres Netzwerk aufgebaut: „Etwa 40 Betriebe sind hier aktiv dabei, darunter die Cap-Märkte, Naturgut, Di Gennaro aus der Markthalle und diverse Bäcker“, sagt Kraft, der seit 2014 mitarbeitet. Fast täglich sammelt jemand aus der Foodsharer-Gruppe dort Essen ein und bringt es in soziale Einrichtungen, Obdachlosenheime und Flüchtlingsunterkünfte, aber auch an sechs „Fair-Teiler“-Stationen in Stuttgart. An Fair-Teiler-Standorten tauschen Fremde Essen untereinander, das sie übrig haben. Aus der Foodsharer-Gruppe sei immer jemand für einen Standort verantwortlich, sagt Jana Pfeiffer. So gelinge es zumindest meistens, die Kühlschränke dort sauber zu halten.

Der sechsköpfigen Gruppe Raupe immersatt genügte das aber nicht. Sie alle eint auch der Traum vom eigenen Café. Seit einigen Monaten sind sie gemeinsam auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Das Café im Kulturzentrum Merlin ist außerhalb von Veranstaltungen leer. Damit war es zumindest für den ersten Café-Versuch ein geeigneter Ort. „Langfristig wollen wir aber etwas eigenes“, sagt Kraft. Auch Jana Pfeiffer träumt davon. „Ich möchte einen Raum zum sozialen Austausch schaffen“, sagt sie. Einen Ort, an dem auch Menschen unterschiedlicher Schichten zusammen kommen.

Maximilian Kraft war die Idee irgendwann gekommen, als er unzufrieden mit seinem Studium gewesen war und überlegt hatte, eine Bar aufzumachen. „Damals habe ich mich nicht getraut“, erzählt er. Heute ist sein Plan eher, ein Foodsharing-Café mit anzustoßen und es dann an Gleichgesinnte abzugeben. „Es soll sich deutschlandweit etablieren.“