Food-Designer Bernd Hartenberger weiß, wie eine gute Bolognese schmecken muss. Er schreibt das Rezept für die industrielle Produktion der Würzmischung. Foto: Maggi

In der industriellen Herstellung von Nahrungsmitteln bestimmen die Konsumenten den Geschmack. Food-Designer entwickeln Essen, das möglichst viele mögen.

Bolognese ist der Klassiker und die Königin unter den Soßen für Nudeln. Nur: wie soll sie schmecken? Zwiebeln oder Knoblauch? Besser Zwiebeln und Knoblauch? Selbstverständlich mit Oregano, dem Gewürz italienischer Gerichte schlechthin. Nur: wie viel Oregano tut der Bolognese gut? Und wie viel ist zu viel? Bernd Hartenberger (49) ist Food-Designer bei Nestlé und für die Produktentwicklung von Maggi Fix für Spaghetti bolognese zuständig.

Die pulverisierte Würzmischung ist der Top-Seller in der Produktgruppe Fix. Hackfleisch anbraten, Wasser dazu, Maggi Fix rein, umrühren. Fertig. 'Dass die Mischung möglichst vielen schmecken soll, ist meine große Herausforderung', sagt er. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Nach der Schulzeit hat Hartenberger Bauzeichner gelernt, anschließend acht Jahre konstruiert. Dann hat er Koch gelernt. 'Kochen war und ist mein Hobby. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.' Gelernt hat er in einem 'kleinen, aber feinen' Restaurant an der Mosel. Dort wurde mit Tradition gekocht, Soßen mit Knochen gemacht. 'Ich durfte eine gute und fundierte Ausbildung genießen.' Heute profitiert er davon. Nach seiner Lehrzeit stand er in München, London, Schottland und Berlin in edlen Restaurants am Herd.

3,5 Milliarden Euro Umsatz, 10.000 Produkte

Mal stand auf der Speisekarte landestypisch traditionelle Kost, dann südostasiatisch, später französisch. Zwischendurch legte er die Meisterprüfung als Koch in Koblenz ab. 'Zweimal jährlich habe ich mich beworben, um meinen Stellenwert zu testen.' So auch auf eine Ausschreibung von Maggi zum industriellen Food-Entwickler. Zu der Zeit hat die Familie Hartenberger Nachwuchs bekommen und saß auf Koffern in einer neuen Wohnung in Berlin. 'Koch sein, das heißt 60 bis 70 Stunden pro Woche arbeiten. Abends und an Wochenenden. Da bleibt für die Familie nicht viel Zeit.' Die Absicht, bei Maggi anzufangen, hatte er nicht. 'Aber das Angebot konnte ich nicht ablehnen.' 2003 fing er im Werk Singen an. Maggi gehört zu Nestlé, Frankfurt, einem der größten Lebensmittelhersteller der Welt: 3,5 Milliarden Euro Umsatz, 13 000 Mitarbeiter in Deutschland, 10 000 verschiedene Produkte. Babynahrung, Tiefkühlprodukte, Eiscreme, Getränke, Fertiggerichte, Würze: Täglich werden eine Milliarde Produkte auf der ganzen Welt verkauft.

Bei Maggi arbeiten 55 Food-Designer. 'Voraussetzung für deren Arbeit sind eine Ausbildung als Meisterkoch, etwa zehn Jahre Restauranterfahrung sowie vorzugsweise einige Jahre Auslandserfahrung', sagt Johan Jacob van der Pol, Leiter der Produktentwicklung bei Maggi. Hartenberger ist bei Maggi für Fix-Produkte zuständig. Das sind Würz-Mischungen, die mit frischen Lebensmitteln kombiniert werden. Er entwickelt diese Produkte für den deutschen Markt und den in Großbritannien. Der Auftrag für die Kreation der Bolognese kam aus dem Marketing. In Konsumentenbefragungen und -tests wurde ermittelt, wie das Produkt schmecken soll. 'Mein Auftrag bestand darin, mit der Mischung den Geschmacksnerv zu treffen, für deren appetitliches Aussehen zu sorgen und beides unter Berücksichtigung eines vorgegebenen Kostenrahmens pro Packung.' Als erfahrener Koch weiß er, wie eine gute Bolognese schmecken soll und welche Zutaten hineingehören.

Der Prozess erfordert Geduld

Die Geschmackswünsche der Konsumenten waren sein Grundrezept. 'Mit der Zeit lernt man Geschmack denken.' Das Rezept schreibt er auf. Zu 85 Prozent passt diese Mischung. Den Rest zu 100 Prozent erreicht er durch Kochen und Probieren. 'Je größer die Erfahrung in der Küche ist, umso weniger Kochversuche braucht es.' Die Köche laden sich dann gegenseitig zum Essen ein, um Meinungen auszutauschen. Der Prozess erfordert Geduld, weil der erste nicht immer der beste Versuch ist. Die Essen-Entwickler müssen mit Kritik umgehen können. Ein ausgeprägter Geschmackssinn ist hilfreich und Offenheit für Neues: Kochen, das ist Multikulti. Eine Maggi-Würzmischung für Bolognese gibt es auf der Insel nicht. 'Die Engländer stehen auf Menüs und Gewürze ihrer Kolonial- und Einwandererländer.' Indien und Pakistan, wo Curry und Chili bevorzugt werden. Dort bietet Nestlé Barbecue-Soßen für Hühnchengeschnetzeltes an, mit rauchigem, säurelastigem Geschmack.

Der Rauch kommt in die Tüten, indem Paprikapulver geröstet wird. Die Würzmischung für die Bolognese in Deutschland hat eine Oregano-Note, sie schmeckt tomatig und ist leicht sämig, das heißt dickflüssig in der Bindung. Der intensive Oregano-Geschmack wird erreicht, indem das Gewürz schockgefrostet und gleichzeitig getrocknet wird. 'So bleibt das Aroma erhalten, das beim Kochen teilweise verloren geht.' Die ersten Verbrauchsmuster bereitet Hartenberger aus Chargen à fünf Kilogramm vor, später mischt er 60 bis 70 Kilogramm an und kocht damit zur Probe. Damit testen die Köche den industriellen Produktionsprozess - ob der funktioniert, wie sie sich das vorgestellt haben. Von den Produkten ist Hartenberger überzeugt. 'Ich verwende sie auch selbst - oder meine Frau, die auch Köchin ist', sagt der Food-Entwickler.