Der Abgasskandal hat Missstände bei der Genehmigung von Autotypen gezeigt. Foto: AP

Das EU-Parlament stimmt am Dienstag über den Abschlussbericht des Untersuchungsaussschusses zum VW-Dieselskandal ab. Das Zulassungsverfahren für neue Modelle wird reformiert.

Brüssel - Zwölf Monate tagte der Untersuchungsausschuss im Europa-Parlament zur Aufarbeitung der VW-Affäre auf EU-Ebene. Es gab 27 Sitzungen, bei denen 47 Zeugen gehört wurden, darunter ehemalige EU-Kommissare und Bundesminister wie Alexander Dobrindt (CSU). Heute werden die Abgeordneten im Straßburger Parlament den Abschlussbericht beschließen, der den Nationalstaaten, aber auch der EU-Kommission Versäumnisse bei der Kontrolle der Autobauer ankreidet. Letztlich bleibt die Frage unbeantwortet: Wie konnte es so weit kommen, dass Abschalteinrichtungen (so genannte „Defeat devices“) zur Beeinflussung der Testergebnisse zwar bekannt und jahrelang verboten waren, aber dennoch systematisch eingesetzt wurden? Zumal es Hinweise gibt, dass schon 2013 der damalige EU-Industriekommissar Antonio Tajani auf die Missstände hingewiesen wurde. Als Fazit kritisiert der Verkehrsexperte der SPD, Ismail Ertug, die „schlampige oder komplett fehlende Umsetzung von europäischen Vorschriften“. Der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer richtet den Blick auf die Entschädigung der Verbraucher: „Die Autokonzerne müssen auch in Europa finanziell zur Verantwortung gezogen werden. Bisher gehen die Geschädigten völlig leer aus.“ Die Kommission müsse Sammelklagen sowie ein Entschädigungssystem in der EU ermöglichen. Jens Gieseke (CDU) hält die Forderung seines Kollegen für unrealistisch: Es gebe anders als in den USA in Europa keine einheitliche Rechtsgrundlage für Entschädigungen. Fahrzeuge in Europa könnten zudem nachgerüstet werden. Zudem werde so nicht der Kern des Problems, nämlich zu hohe Schadstoffe, gelöst.

Parlament will gleich Reformen beschließen

Gleich am Dienstag will das Parlament auch Reformen beschließen, die der Industrie systematische Regelverstöße wie durch Schummelsoftware erschweren. Die Veränderungen sollen spätestens 2020 greifen und am Genehmigungsprozess ansetzen, der nötig ist, bevor ein neues Modell auf den Markt kommt. Dabei prüfen die nationalen Behörden, ob das Modell die einschlägigen EU-Vorschriften etwa zur Sicherheit bei Unfällen, aber auch beim Ausstoß von Schadstoffen und beim Kraftstoffverbrauch einhält. Am Ende eines teuren Verfahrens, für das der Hersteller etwa ein Dutzend Fahrzeuge aus den ersten Fertigungszyklen zur Verfügung stellt, bekommt der Konzern die Typgenehmigung. Mit diesem Papier kann er das neue Modell in jedem Mitgliedsland der EU auf den Markt bringen. Bislang war die Typgenehmigung unbegrenzt gültig. Kaum zu glauben: mittlerweile ist VW mit seinem Golf beim siebten Modell angekommen, die Typzulassung ist aber immer noch die gleiche wie beim Ur-Golf in den 70er Jahren. Die Abgeordneten wollen daher heute beschließen, dass die Typzulassung nach sieben Jahren erlischt.

Nationale Aufsichtsbehörde soll zwischengeschaltet werden

Außerdem sollen die Hersteller die Typzulassung künftig nicht mehr direkt bei dem Prüfunternehmen, in Deutschland meist der TÜV oder Dekra, in Auftrag geben. Jetzt soll die nationale Aufsichtsbehörde, in Deutschland das Kraftfahrtbundesamt zwischengeschaltet werden. Es soll auch die Rechnung begleichen und sich das Geld vom Hersteller zurück holen. So soll Interessenkonflikten vorgebeugt werden.

Autos stoßen im Echtbetrieb tatsächlich mehr Schadstoffe aus als auf dem Teststand

Umstritten ist noch, wie die Marktaufsicht künftig organisiert werden soll. Eigentlich sind die EU-Mitgliedsländer dafür zuständig, den Markt zu überwachen. Der VW-Diesel-Skandal hat gezeigt, dass sie dazu nicht in der Lage sind. Tatsächlich stoßen die Autos im Echtbetrieb mehr Schadstoffe aus als auf dem Teststand. Andreas Schwab (CDU), Experte für den EU-Binnenmarkt: „Es darf künftig nicht mehr vorkommen, dass verschiedene Mitgliedsstaaten die gleichen Fahrzeuge testen, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und dann aufgrund einer fehlenden Einigung nichts mehr passiert.“ Die EU-Kommission soll künftig eigene Tests durchführen können. Außerdem soll ein Beschwerdegremium auf EU-Ebene eingerichtet werden, an das sich EU-Hauptstädte wenden können, wenn sie den Eindruck haben, dass die nationalen Behörden es in einem anderen Land mit der Marktüberwachung nicht so genau nehmen. Eine neue EU-Agentur eigens zur Überwachung des Marktes lehne er aber ab. Dies würde Jahre dauern, man brauche jetzt Fortschritte. Grüne und Sozialdemokraten favorisieren die Agentur.