Angesichts der neuen Vorwürfe dürfte die Autoindustrie vor allem rot sehen. Foto: dpa

Auch wenn nichts bewiesen ist, schlagen die Wellen hoch. Die Verbraucherzentrale erwartet eine Klagewelle, Fachjuristen sehen Möglichkeiten für Schadenersatzforderungen. Welche Folgen könnte ein mutmaßliches Autokartell für die Verbraucher haben?

Stuttgart - Bewiesen ist bisher nichts. Doch das Schweigen der Konzerne bei einem Verdacht dieser Tragweite alarmiert Politiker, Experten, Kritiker: Ein weit verzweigtes Kartell deutscher Autobauer soll sich zum Schaden von Kunden und Lieferanten in verschiedenen Fragen abgesprochen haben. Der „Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, dass Volkswagen mit seinen Töchtern Audi und Porsche sowie BMW und Daimler sich seit den 1990er Jahren in geheimen Arbeitsgruppen über ihre Fahrzeuge abgesprochen und womöglich auf diese Weise auch den Weg für den Dieselskandal geebnet haben sollen.

Die Verbraucherzentrale erwartet eine Klagewelle

Wegen des mutmaßlichen Kartells droht den großen Hersteller der Autoindustrie eine Klagewelle, erwarten Experten. So sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der „Süddeutschen Zeitung“, er rechne mit Zehntausenden Verfahren, in denen Autokäufer Schadenersatz für überteuerte Fahrzeuge verlangen werden. Viele Kunden hätten einen „möglicherweise viel zu hohen Preis“ für ihre Autos gezahlt. Müller verwies auf die Selbstanzeigen, die Daimler und Volkswagen bei den Wettbewerbsbehörden gestellt haben sollen.

Recht auf Schadenersatz?

Ähnlich äußerte sich Christian Kersting, Fachjurist an der Universität Düsseldorf. „Die Frage ist, ob Autos durch mögliche Kartellabsprachen auf einem schlechteren technischen Stand verkauft wurden, als sie hätten sein können. Das könnte ein argumentativer Ansatz sein.“ Allerdings sei es vor Gericht sehr schwer, hier einen Schaden nachzuweisen, fügte er hinzu.

ADAC fordert Fakten

Auch ADAC-Präsident August Markl fordert rasch Fakten: „Jetzt muss schnell aufgeklärt werden, ob und wie sehr die Verbraucher durch dieses Vorgehen geschädigt worden sind“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Danach müssen Behörden und Gerichte entscheiden.“

EU arbeitet an Recht auf Sammelklagen

Als Konsequenz aus der VW-Abgasaffäre plant EU-Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova eine Stärkung der Rechte von Käufern in Europa. „Der VW-Skandal hat uns eine harte Lektion erteilt“, sagte Jourova der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Als Lehre daraus wolle sie die Möglichkeit europaweiter Sammelklagen einführen. „Ich will, dass die europäischen Verbraucher ihre Kräfte bündeln und ihre Klagen koordinieren können.“ Sie arbeite an einer Initiative für das nächste Jahr. „Wenn wir die Möglichkeit von Sammelklagen schaffen, entlastet das auch das Justizsystem. Außerdem stärkt es das verloren gegangene Vertrauen der Europäer in den Rechtsstaat und die Gerechtigkeit.“

Verbraucherzentrale drängt auf Musterklage

Auch die Verbraucherzentrale in Berlin drängt darauf, per Gesetz eine Musterklage möglich zu machen, damit mutmaßlich betrogene Kunden nicht einzeln vor Gericht gehen müssen, sondern sich zusammentun können. Das gehöre zu den ersten Aufgaben der künftigen Regierung nach der Bundestagswahl im September, sagte Müller der „Süddeutschen“.

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