Kein Kind soll zurückbleiben, weil es beim Schulstart zu wenig Deutsch kann, sagt Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg. Sie setzt vor allem auf gut vorbereitete Erzieherinnen.

Kein Kind soll zurückbleiben, weil es beim Schulstart zu wenig Deutsch kann, sagt Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg. Sie setzt vor allem auf gut vorbereitete Erzieherinnen.
 
Stuttgart - Frau von Wartenberg, nächste Woche laden Sie Erzieherinnen und andere Interessierte zu einem Kongress unter dem Motto „Die hundert Sprachen der Kinder“ ein. Was wollen Sie vermitteln?
Die Kinder in unseren Kindertageseinrichtungen bringen viele Sprachen mit. Wir wollen die Erzieherinnen beim Umgang mit dieser Mehrsprachigkeit unterstützen und sie in ihrer Sprachförderkompetenz stärken. Zum einen geht es darum, wie Sprachentwicklung stattfindet, zum andern um praktische Beispiele, Kindern durch Sprache die Welt zu erschließen. Im Alltag haben Erzieherinnen unzählige Gelegenheiten, sie beim Deutschlernen zu unterstützen.
Sie haben auch Wissenschaftler aus dem Ausland eingeladen. Machen es andere Länder besser?
Nein, wir sind gut aufgestellt. Es gibt aber viele Wege beim Sprachenlernen: Manche Kinder hören gern Geschichten, andere lernen leichter beim Singen oder mit Bewegung, wieder andere beim Malen. Auch beim Experimentieren oder in der Natur lässt sich Sprache vermitteln. Wichtig ist aber immer eine enge Bindung zwischen Kind und Erwachsenem. Die Wissenschaftler zeigen diese vielen Facetten auf.
Und was tut die Landesregierung ganz praktisch, damit alle Kinder beim Schulstart auch Deutsch können?
Wir haben zum neuen Kindergartenjahr die Sprachförderung für Kinder mit Zusatzbedarf (Spatz) verbessert und vor allem die Gruppen verkleinert. Die Gruppengröße liegt jetzt zwischen drei und sieben Kindern, in Einrichtungen mit mehr als 80 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund sind es höchstens fünf Kinder. Die kleineren Gruppen ermöglichen, dass mehr Zeit für jedes einzelne Kind zur Verfügung steht. Pro Gruppe gibt es 2200 Euro. Das Interesse ist groß, wir hatten bisher 7500 Gruppen. Bis Ende November können noch Anträge gestellt werden. Froh sind wir, dass auch der Bund das Projekt Frühe Chancen weiter unterstützt: Die 565 Fachkräfte für Sprachförderung leisten in den Kindergärten wichtige Arbeit.
Müssten Sie nicht schon bei den jüngeren Kindern beginnen?
2015 wollen wir das Angebot möglichst auch auf die Kinder unter drei Jahren ausweiten. Denn wir wissen: Je früher, desto besser. Wir wollen, dass sie bei Schulbeginn gut sprechen, dem Unterricht folgen und ihre Talente entfalten können. Sprachförderung ist aber nicht nur eine Aufgabe für Spezialisten, sondern grundsätzlich aller Fachkräfte und Erzieherinnen. Mit Fortbildungen wie diesem Kongress wollen wir sie dabei unterstützen.
Jahrzehntelang war verpönt, dass Kinder zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Inzwischen wächst die Akzeptanz der Muttersprache.
Uns ist wichtig, dass Kinder mit anderen Muttersprachen zweisprachig aufwachsen können. Aus wissenschaftlicher Beobachtung wissen wir, dass Kinder, die ihre Muttersprache gut sprechen, viel leichter Deutsch lernen als Kinder, die zu Hause nur gebrochenes Deutsch hören. Wir empfehlen, dass mindestens ein Elternteil mit dem Kind viel in der eigenen Sprache spricht. Deutsch lernen die Kinder dann in den Kindertageseinrichtungen – je früher, desto besser. Wir beziehen in die Sprachförderung auch Familien- und Mütterzentren ein.
In welcher Form?
Einige haben ganz reguläre Kindergartengruppen, die nach unserem Förderprogramm Spatz gefördert werden können, künftig soll dies auch für kleinere Kinder möglich werden. Die Zentren sind oft die erste Anlaufstelle für junge Eltern, dort erfahren sie, wie wichtig die Sprache ist und welche Förderangebote es gibt. Über die Kindergärten erreichen wir 95 Prozent aller Kinder im Kindergartenalter.
Durch die wachsende Zahl von Flüchtlingen wird der Bedarf weiter steigen. Welche Unterstützung bieten Sie ihnen?
Sobald das Asylverfahren läuft, haben die Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz – und damit die Chance, Deutsch zu lernen. Dafür stellen wir in den Jahren 2015 und 2016 jeweils zusätzlich 1,2 Millionen Euro bereit. Für Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter bilden wir Vorbereitungsklassen. Um diese einzurichten, haben wir zusätzlich 200 Lehrerstellen für alle Schularten zur Verfügung gestellt. Unser Ziel ist, dass wir die Kinder erreichen, fördern und integrieren. Das gilt auch für die Erwachsenen.
Durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder haben sie einen riesigen Bedarf an Fachkräften. Wie wollen Sie diesen decken?
Wir haben zwei erfolgreiche Modelle entwickelt: Durch die praxisorientierte Ausbildung, bei der die Auszubildenden auch bezahlt werden, haben wir neue Anreize geschaffen und dadurch deutlich mehr Interessenten gewonnen. Auch die Öffnung bei der Kleinkindbetreuung für Fachkräfte aus verwandten Bereichen – Hebammen, Kinderkrankenschwestern oder Kindheitspädagogen – bringt zusätzliche Bewerber. Erfolgreich ist auch die Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit, die etwa Älteren eine Ausbildung ermöglicht. Der Beruf bleibt aber nur attraktiv, wenn er Aufstiegsmöglichkeiten bietet, etwa zur Leitung einer Einrichtung oder in der Aus- und Weiterbildung.
Viele Träger sind aber nicht bereit, die Fachkräfte angemessen zu bezahlen, das bekommen etwa die Hochschulabsolventen zu spüren, die Kleinkindpädagogik studiert haben.
Da gibt es große Unterschiede. Der Fachkräftemangel wird dazu führen, dass die Träger künftig noch mehr über ihre Personalpolitik nachdenken müssen. Dank des Pakts für Familien mit Kindern übernimmt das Land 68 Prozent der Betriebsausgaben für die Kleinkindbetreuung – das ist bundesweit Spitze. Deshalb sind jetzt die Träger gefragt. Eine gute Betreuung ist auch ein wichtiger Standortfaktor. Jeder Platz muss ein guter sein.