Ministerpräsident Winfried Kretschmann fordert Nachbesserungen am Fluglärm-Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz. So könne er nicht zustimmen.

Grafenhausen - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dringt nun doch energisch auf Nachbesserungen am Fluglärm-Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz. In der jetzigen Form könne das Land dem von den Bundesregierungen beschlossenen Fluglärm-Kompromiss nicht zustimmen, sagte Kretschmann am Mittwoch in Grafenhausen im Hochschwarzwald. Die Einigung zwischen Deutschland und der Schweiz könne nur in Kraft treten, wenn sie für Südbaden eine spürbare Entlastung bringe.

Bis vor kurzem hatte Kretschmann noch die Linie vertreten, der Kompromiss müsse zähneknirschend akzeptiert werden. Nach einem Treffen mit Kommunalpolitikern aus dem Landkreis Waldshut, der besonders von den Anflügen auf den Flughafen Zürich belastet ist, sagte der Regierungschef nun: „Es braucht Klarheit und Transparenz. Und beides ist derzeit nicht gegeben.“ SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel begrüßte die „neue Skepsis“ des Ministerpräsidenten gegenüber dem Fluglärm-Staatsvertrag. Unterstützung erhielt Kretschmann auch von der Landes-CDU.

"Derzeit geht viel Vertrauen verloren"

Um Verbesserungen zu erreichen, müssten die Details präzisiert werden, verlangte Kretschmann. Eindeutig geklärt werden müssten die Flugrouten, An- und Abflughöhen sowie die Frage, wer für die Bewirtschaftung des Luftraums zuständig sei. In diesen Fragen herrsche große Unsicherheit. Es müsse klar sein, dass der Luftraum nur gemeinsam und nicht, wie bisher, von der Schweiz alleine bewirtschaftet werde. Dies gelte auch für das Festlegen der Flugrouten. „Es geht derzeit viel Vertrauen verloren“, bemängelte der Grünen-Politiker.

Der Staatsvertrag bringe Südbaden zwar erweiterte Ruhezeiten, da rund 20.000 Flüge in den Abendstunden in die Schweiz verlagert werden sollen. Die Gefahr stecke jedoch im Kleingedruckten. Details des Vertrags müssten genau und ohne Zeitdruck ausgehandelt werden.

Mit seinen Forderungen reagierte Kretschmann auf die Proteste in den von Fluglärm betroffenen Regionen. „Es gibt viele offene Fragen, die vor der Ratifizierung des Vertrages geklärt werden müssen“, sagte der Regierungschef. „Es geht nicht, dass die in dem Vertrag festgeschriebenen erweiterten Ruhezeiten durch zusätzliche Zumutungen im Kleingedruckten zunichtegemacht werden.“ Baden-Württemberg poche darauf, dass offene Einzelfragen eindeutig geklärt werden. „Dieser Streit dauert nun schon Jahre. Es kann für die Regierungen in Berlin und Bern nun keinen Grund geben, den Vertrag durchzupeitschen.“

Landes-CDU schließt sich an

Die Landes-CDU schloss sich Kretschmanns Forderungen an. Der Vertragstext lasse Raum für Interpretationen und das führe zu erheblichen Sorgen in der Region, sagte der Vorsitzende der CDU Südbaden, der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung. Die zum Vertrag gehörende Denkschrift, die Details klären soll, müsse dingend nachgebessert werden, erklärte auch CDU-Landeschef Thomas Strobl. Der Waldshuter Landrat Tilman Bollacher (CDU) sagte, Kretschmann solle auf die Bundesregierungen einwirken. „Es herrscht hier große Sorge, dass auf uns deutliche Mehrbelastungen zukommen.“

Die Regierungen von Deutschland und der Schweiz haben den Staatsvertrag bereits unterzeichnet. Damit er in Kraft treten kann, müssen aber noch die Parlamente grünes Licht geben. Ein erster zwischen den Regierungen abgeschlossener Staatsvertrag war 2001 am Widerstand des Schweizer Parlaments gescheitert.