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Im angespannten Verhältnis der Nachbarländer haben Schweizer Taxifahrer eine neue Front eröffnet.

Zürich - Es ist ja nicht so, dass das Verhältnis zwischen Schweizern und Deutschen gänzlich ungetrübt wäre: Steuersünder, lärmende Flugzeuge und die Frage, wie viel Einwanderung (aus Deutschland) die Schweiz verträgt, sind ungelöste Dauerkontroversen. Jetzt haben die Schweizer Taxifahrer eine neue Front eröffnet.

Vorgeschichte: Die Branche ist hart umkämpft. Schweizer, deutsche und österreichische Taxifahrer buhlen in Zürich-Kloten um die Gunst der Passagiere eines der größten Flughäfen Europas. Viele der Fluggäste sind gut betucht; hinzu kommt das riesige Einzugsgebiet, das sich auf den gesamten süddeutschen Raum und bis nach Vorarlberg erstreckt. Kurzum: Kloten verspricht in der Regel ein gutes Geschäft. Manche Fahrten bringen 1000 Euro und mehr. Die Schweizer Taxler haben gegenüber ihren Kollegen aus Deutschland und Österreich dabei häufig das Nachsehen - sie sind nämlich fast doppelt so teuer.

Durch die Wirtschaftskrise und eine Bahn, die neuerdings von der Züricher Innenstadt bis zum Flughafen fährt, ging der Umsatz der Taxiunternehmer zuletzt immer mehr zurück. Also haben sie nach Auswegen gesucht - und dabei tief in der Mottenkiste gegraben. Ein Fahrer stieß auf ein Abkommen des Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartments mit Deutschland vom 17. Dezember 1953. Dieses verbietet "Droschken und Mietwagen eine Aufnahme von Fahrgästen im anderen Vertragsstaat". Mit Österreich gibt es ein vergleichbares Abkommen aus dem 1958 - da ist immerhin schon von Motorfahrzeugen die Rede.

Deutsch-schweizerische Abkommen - eine Art Absichtserklärung - gibt es viele. Nur sind sie von keinem großen Belang. Auch der Droschken-Vertrag hat über 50 Jahre lang keine Rolle gespielt - bis jetzt. Die 250 zur IG Flughafentaxi zusammengeschlossenen Fahrer reichten eine Petition bei der Gewerbepolizei Kloten, dem Bundesamt für Verkehr, der Kantonspolizei und der Flughafen Zürich AG ein. Die Stadt Kloten ließ den Einwand daraufhin beim Bundesamt für Umwelt, Verkehr und Energie in Bern klären. Und siehe da: Die Beamten des früheren Bundespräsidenten Moritz Leuenberger gaben den eidgenössischen Chauffeuren recht. Das Verbot untersagt Taxis aus Österreich und Deutschland das gewerbsmäßige Abholen von Fahrgästen, die weiter als fünf Kilometer von der deutschen und zehn von der österreichischen Grenze entfernt liegen. "Ein Freudentag", jubelte Serge Cuendet, Präsident der IG Flughafentaxi.

Versuch "das mittelalterliche Zunftwesen wieder einzuführen"

Immerhin wurde den 171 am Flughafen Zürich registrierten Taxifahrern aus Deutschland und Österreich eine Gnadenfrist bis Anfang 2011 gewährt. "Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit", wie es heißt. Die ersten Unternehmer wurden aber schon aufgefordert, ihre Parkbewilligungen zurückzuschicken. Die Schweizer meinen es ernst. Und die Betroffenen sind ernsthaft sauer: "Wenn es bei dem Verbot bleibt, kann ich dichtmachen", sagt eine Unternehmerin aus Engen. Der Vorstand des Verbands des Verkehrsgewerbes Südbaden, Jürgen Dornheim, fürchtet "schwerwiegende Auswirkungen" auf das Gewerbe. Bei ihm machten Fahrten nach Zürich-Kloten 40 Prozent des Umsatzes aus.

Auch die Österreicher sind empört: Der FPÖ-Abgeordnete Hubert Kinz sieht in der Blockade den Versuch, "das mittelalterliche Zunftwesen wieder einzuführen". Nach Ansicht des Geschäftsführers der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee, Claudius Marx, ist es "rechtlich zweifelhaft und politisch fragwürdig", ein solches Verbot durchzusetzen, wenn es ein halbes Jahrhundert nicht praktiziert wurde. Laut Marx kann das bilaterale Abkommen jährlich von einer Seite gekündigt werden. Nächster Termin sei der 30. September. "Wir kümmern uns darum", kündigt Marx an.

Baden-Württembergs Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) sieht im Moment allerdings keinen Ansatz, an der Gesetzeslage etwas zu ändern. Da die Schweiz nicht zur EU gehört, werden zwischenstaatliche Angelegenheiten meist direkt zwischen Stuttgart oder Berlin und Bern geklärt. Um das Verhältnis zum Nachbarn nicht weiter zu belasten, will sich Gönner aus der Auseinandersetzung erst mal heraushalten. Anders Finanzminister Willi Stächele (CDU): Der Südbadener nannte das Verbot "ärgerlich und empörend". Er kündigte an, dagegen vorzugehen - wie auch immer. Der Schweizer Generalkonsul in Baden-Württemberg, Hans Dürig, gibt sich diplomatisch: Einerseits habe er Verständnis für seine Landsleute, die in einem "harten Verdrängungskampf" stünden. Andererseits sei er "schon erstaunt", dass sich über 50 Jahre niemand darum gekümmert habe - bis eben jetzt.

Auch wenn rein wirtschaftliche Interessen den Schritt der Schweizer begründen mögen und der Fluglärmstreit um den Flughafen keine Rolle spielt - eine gewisse Boshaftigkeit ist kaum auszublenden. Einem zeitgemäßen Grenzverkehr entspricht das Uraltabkommen jedenfalls nicht, das wissen die Urheber genau. Zumal der Züricher Bezirksrat kürzlich in einem ähnlichen Fall zu einer liberaleren Entscheidung gelangt ist als das Verkehrsamt in Bern. Er lässt Grenzgänger aus Deutschland ohne Schweizer Wohnsitz als Taxifahrer zu - weil sonst das Freizügigkeitsabkommen verletzt würde. Zudem wurde das Verbot, Aufträge aus Zürich an auswärtige Taxifahrer zu vermitteln, gekippt. Das Argument des Rats: Die Einschränkung widerspreche dem Binnenmarktgesetz, das ortsfremden Anbietern freien Zugang zum Markt gewährt.