Die Schatzkammer des Flughafens: Wir haben uns in der Asservatenkammer des Zolls umgesehen.

Stuttgart - Raus aus dem Flieger, rein in die Zollkontrolle. Täglich landen im Schnitt 12000 Menschen am Stuttgarter Flughafen. Dabei entdeckt der Zoll neben der Stange Zigaretten zu viel auch mal Nacktkatzen im Gepäck. Beim Kampf gegen Rauschgiftschmuggel ist der Zoll auf eine feine Hundespürnase angewiesen.

Lori springt auf und kratzt mit beiden Vorderpfoten an dem blauen Gepäckstück - ganz schulmäßig. Der Koffer stammt aus der KLM-Maschine, die vor 20 Minuten aus Amsterdam angekommen ist. Mit fünf Jahren gehört Lori zu den jüngsten Mitarbeitern am Flughafen. Die Rauschgiftspürhündin scheint fündig geworden sein. Kokain? Cannabis? "Das können wir noch nicht sagen. Der Hund kann Rauschgift im Einzelnen nicht voneinander unterscheiden", sagt Jan Westphal, Zolloberinspektor am Flughafen Stuttgart, und verständigt seine Kollegen, die am Terminal 3 bei der Gepäckannahme stehen. "Der Koffer kommt mit den anderen auf das Gepäckband", erklärt Westphal. Wenn der Besitzer sein Gepäck gleich vom Band nimmt, erwarten ihn schon die Zollbeamten, die ihn auf den Verdacht ansprechen werden.

Flughafen als EU-Außengrenze

Insgesamt sind 150 Zollbeamte am Flughafen tätig. Jan Westphal ist einer von ihnen. Als Abfertigungsleiter sorgt er dafür, dass der Gang durch den Zoll ordnungsgemäß abläuft. Im Schnitt landen täglich 200 Maschinen. Bei der Einreise richten sich die Kontrollen von den Abfertigungsbeamten hauptsächlich auf Rauschgift- und Waffenschmuggel sowie auf die jeweils bestimmten Freimengen von verbrauchssteuerpflichtigen Waren.

16.15 Uhr: Die gelben Lämpchen an der Anzeigetafel leuchten: Die Maschine aus Belgrad, Serbien, ist soeben gelandet. Für Reisende gelten hier besondere Einfuhrbeschränkungen, da es ein Drittlandflug ist. Der Flughafen stellt im zollrechtlichen Sinne eine EU-Außengrenze dar, denn Serbien gehört nicht zur EU. Was jetzt kommt, ist für Westphal und seine Kollegen Routine. Stichprobenartig kontrollieren sie Passagiere, die den Terminal 3 durch den grünen Ausgang verlassen. "Dadurch erklären sie, dass sie ausschließlich Waren bei sich führen, die abgabenfrei sind und keinen Verboten und Beschränkungen unterliegen", sagt Juliane Fritz vom Hauptzollamt Stuttgart.

Ein Ehepaar wird in das Abfertigungsbüro des Zolls begleitet. Westphal kontrolliert zuerst das Handgepäck und legt dabei schon einmal vier Schachteln Zigaretten auf die Seite. Danach ist der Koffer dran, hierbei entdeckt der Zolloberinspektor in einem Necessaire einige Tabletten. Westphal gibt sofort Entwarnung. "Dies stellt keine auffällige Menge dar, die über den zulässigen persönlichen Bedarf hinausgeht." Er entdeckt zwischen Handtüchern und Hosen zwei weitere Stangen Zigaretten. "Das sind vier Schachteln zu viel. Erlaubt sind nur 200 Zigaretten pro Person, also eine Stange", sagt Westphal.

Mindestens ein Erfolgserlebnis am Tag

Jetzt folgt der Klassiker unter den Ausreden. "Das haben wir nicht gewusst", entgegnet der Mann, der aus allen Wolken zu fallen scheint. "So etwas passiert einem nur in Deutschland." Doch alles Lamentieren nützt nichts. Das Ehepaar wird sofort zur Kasse gebeten. Einfuhrabgaben plus Zollzuschlag, das macht 22,80 Euro. Ein Steuerstrafverfahren wird nicht eingeleitet.

"Dies geschieht erst ab einem zu versteuernden Betrag von 130 Euro", so Westphal. Allein im Jahr 2009 wurden am Stuttgarter Flughafen über eine Million Zigaretten entdeckt, die nicht angemeldet wurden. Die Zigaretten stellen neben Lederwaren und Spirituosen die größte Zahl der sichergestellten Waren dar. Insgesamt beträgt der Wert der sichergestellten Waren im letzten Jahr 812859 Euro. 2008 betrug der Wert dagegen noch 1724457 Euro.

Wird also weniger geschmuggelt? "Eine Tendenz ist schwer zu erkennen. Die hohe Diskrepanz zwischen den beiden Jahren hängt mit einer gesetzlichen Änderung zusammen", so Thomas Böhme vom Hauptzollamt Stuttgart. Die Freigrenze für Flugreisende, die älter als 15 Jahre sind, sei erhöht worden.

Mindestens ein Erfolgserlebnis am Tag

Neben der einen oder anderen Stange Zigaretten zu viel stoßen die Beamten auch auf lebendige Ware im Gepäck. "Eine junge Mutter und ihre Tochter versuchten aus Russland zwei Nacktkatzen im Alter von acht Monaten im Reisegepäck einzuführen", so Juliane Fritz vom Hauptzollamt Stuttgart. Neben Nacktkatzen gehören noch einige weitere geschmacklose Dinge zur Touristenbeute.

Ob ein ausgestopfter Tukan mit einer Glühbirne im Schnabel, eine präparierte Riesenschildkröte oder kleine, ausgestopfte Krokodile, die als Aschenbecher dienen sollen - statt in die heimische Wohnzimmervitrine wandern sie in die Asservatenkammer des Zolls. 189 artengeschützte Exemplare stellte das Hauptzollamt Stuttgart im vergangenen Jahr sicher.

Während die Schicht für Jan Westphal erst um 23 Uhr endet, ist für Lori der Hundearbeitstag bereits um 19 Uhr zu Ende. Ein erfolgreicher Tag? Zwar hat die Durchsuchung des Koffers aus Amsterdam den Verdacht auf Drogenschmuggel nicht bestätigt. Lori ist aber schon vorher fündig geworden. Bei jeder Gepäckkontrolle wird ein fingierter Koffer mit einem bissfesten Kunststoffröhrchen mit Rauschgift bestückt. "Das ist notwendig, damit sie die Freude nicht verliert", erklärt eine Zollbeamtin. Die Arbeit verlangt eine hohe Belastbarkeit. Hunde haben zwar einen Beutetrieb, verfolgen dabei aber kein System. Deshalb brauchen sie am Tag mindestens einmal ein Erfolgserlebnis. Das ist beim Tier nicht anders als beim Menschen.