Foto: Stuttgart Album/Mack

Bitte fertig machen zum Start: Viele Leser haben dem Stuttgart-Album, dem Geschichtsprojekt der StN, alte Fotos des Stuttgarter Flughafens geschickt. Erinnerungen an Zeiten, als es noch genügend Öl gab und ein Rundflug 15 D-Mark gekostet hat.

Stuttgart - Haare hoch! In den 1960ern trugen die Damen keine russischen Fellmützen – sie toupierten Turmbauten auf ihren Kopf. So wie die junge Frau, die in Echterdingen auf der Gangway der belgischen Fluglinie Sabena den Lieben zuwinkt.

Dagmar Heckel hat dem Stuttgart-Album, dem Geschichtsprojekt im Internet, in Buchform und als Serie in den Stuttgarter Nachrichten, das Foto ihrer Mutter geschickt. „Es muss 1965 gewesen sein“, schreibt sie, „als es noch freie Sicht aufs Flugfeld gab.“ Als man quasi mit den Händen von der Besucherterrasse nach Flugzeugen greifen könnte. Die Mutter von Dagmar Heckel flog allein zu den Freundinnen nach Amerika, was für die Zeit sehr fortschrittlich war. Ohne ihre Männer kamen damals die Frauen nicht sehr weit.

„1965 auf Besuch nach USA zu fliegen, war ’ne Ansage“, schreibt Jochen Reinhardt auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums, „fliegen war damals noch echt was Besonderes. Konnte nicht jeder.“

Mama mit den hochtoupierten Haaren flog mit Sabena von Stuttgart über Brüssel in die USA. Marc Simianer erinnert sich noch genau an das Logo mit dem S auf dem Bordbesteck. Er hat „die Zwergengabel, das Zwergenmesser und Zwergenlöffel“ von Sabena bis heute aufbewahrt.

Die Fluglinie mit dem S ging 2001 bankrott. Den Damen fielen die Haare nach unten, die Zäune am Flughafen aber ragten spitz und steil immer weiter nach oben. Kinderleicht wäre es in den 1960ern gewesen, von der Besucherterrasse direkt aufs Rollfeld zu marschieren. Als es noch genügend Öl gab, dachte noch keiner an Flugzeugentführungen. Heute erinnert der Zaun auf der Besucherterrasse auf der fünften Ebene des 2004 eröffneten Terminals 3 an den Hochsicherheitstrakt einer Vollzugsanstalt. 2000 wurde das alte Terminal abgerissen.

Wer es sich leisten konnte, gönnte sich einen Rundflug über Stuttgart. Pro Person zahlte man 1958 im Flugzeug D-EFIV exakt 15 D-Mark, was für die damalige Zeit viel Geld war. In einem Holzhäuschen, das am Zaun vor dem Rollfeld stand und Platz nur für einen Mann hatte, konnte man das Ticket lösen und sein eigenes Haus überfliegen.

Im September 1939 war der Stuttgarter Flughafen eröffnet worden – schon kurz vor Kriegsausbruch hatte die Luftwaffe der Nazis das Areal übernommen. Die SS richtete hier 1944 ein KZ-Außenlager für 600 jüdische Häftlinge ein. Sie wurden in einem Hangar gefangen gehalten und mussten in einem Steinbruch arbeiten sowie Straßen vom Flughafen zur Autobahn bauen. 119 Männer starben an den unmenschlichen Bedingungen des Lagers. Die Geschichte des Stuttgarter Flughafens beginnt mit einem dunklen Kapitel.

1948 wurde das Gelände an die Stadt Stuttgart übergeben – Startschuss für den zivilen Flugbetrieb. Mit dem Wirtschaftswunder wächst die Sehnsucht nach fernen Stränden. Schon 1954 hatten Kurt und Else Hetzel die ersten Sizilien-Sonderzüge mit sonnenhungrigen Schwaben gefüllt. Der Höhenflug gelang ihnen 1963, als sie eine propellergetriebene DC 7 nach Barcelona schickten – das Zeitalter der Charterflüge hatte begonnen. Ade, ihr Lieben! Es geht los, wir heben ab! Bitte fertig machen zum Start!

Das Stuttgart-Album finden Sie im Internet unter: Facebook.com/Album.Stuttgart. Das Buch „Stuttgart-Album – Eine Stadt erinnert sich“ ist im Silberburg-Verlag erschienen. Wir freuen uns weiterhin über historische Fotos von Ihnen, die Sie an folgende Adresse schicken können: info@stuttgart-album.de.