Wenn Flüge überbucht sind, bleiben manchmal Passagiere ungewollt am Flughafen zurück. Foto: dpa-Zentralbild

Dass Fluglinien mehr Tickets verkaufen, als Plätze vorhanden sind, ist üblich, aber problematisch. So musste eine 15-Jährige aus Stuttgart kürzlich allein über Nacht in London bleiben. Welche Rechte haben Passagiere?

Stuttgart - Samstagnachmittag Ende Oktober: Am Schalter von British Airways in London-Heathrow ist eine lange Schlange, als Amélie S. für ihren Rückflug nach Stuttgart einchecken will. Das Mädchen ist auf dem Heimweg von einem privaten Schüleraustausch in Cambridge. Von der Mitarbeiterin erfährt sie, dass der Flug überbucht ist. Für die 15-Jährige gibt es weder Sitzplatz noch Bordkarte. Inzwischen hat sie ihre Eltern informiert, die bestürzt sind. Wie kann es sein, dass eine alleinreisende Minderjährige abgelehnt wird, während andere Passagiere einchecken können?

Dass Fluglinien mehr Plätze vergeben, als vorhanden sind, ist üblich, denn meist erscheinen nicht alle Passagiere zum Abflug. Vor allem Geschäftsleute nutzen häufig die flexiblen Umbuchungsoptionen ihrer teuren Business- oder Erste-Klasse-Tickets, etwa weil Termine länger als geplant dauern oder abgesagt werden. Ausfälle gibt es auch bei den Billig-Tickets: Wer mit Schnäppchenpreis reist, neigt eher dazu, das Ticket auch mal verfallen zu lassen. Die Lufthansa beispielsweise zählt jährlich rund drei Millionen solcher sogenannter No-Show-Fälle. Wie viele Fluggäste am Schalter zurückbleiben und wie hoch die Kosten für Entschädigungen sind, verrät das Unternehmen nicht. Das Geschäft muss sich aber lohnen.

Fluggesellschaften locken mit Gegenleistungen

Allerdings gelten auch dafür Regeln, zu finden sind sie in einer seit 2005 geltenden EU-Verordnung. Dabei gilt: Freiwillige vor. Die Fluggesellschaften müssen einzelne Passagiere fragen, ob sie von ihrem Flug zurücktreten wollen. Sie locken dabei mit besonderen Gegenleistungen: ein Upgrade im nächsten Flieger, eine kostenlose Übernachtung oder auch schnödes Bargeld.

Finden sich auf diese Weise nicht genügend Freiwillige, darf die Luftlinie Kunden auch gegen deren Willen die Mitreise verweigern. Wie hier die Auswahl zu erfolgen hat, ist ebenfalls in der Verordnung geregelt. Klar ist: Ein „alleinreisendes Kind ist bei der Entscheidung über die Vergabe limitierter Sitzplätze in einem überbuchten Flugzeug grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen“, verweist Cornelia Cramer vom Luftfahrt-Bundesamt auf den einschlägigen Artikel. Das gilt auch für Menschen, deren Mobilität eingeschränkt ist, beispielsweise ältere Personen oder Behinderte.

„Das hätte nicht passieren dürfen“, bedauert die Pressestelle von British Airways in London den Vorfall gegenüber dieser Zeitung. Am Tag zuvor habe es Störungen wegen Nebels gegeben, deshalb sei extrem viel los gewesen. Was auch an den Ausfällen der Air-Berlin-Flüge gelegen haben könnte. Es müsse sehr „nervenaufreibend“ für die junge Lady gewesen sein, gibt sich British Airways verständnisvoll und verweist dann auf die erbrachten Leistungen: Essensgutschein, Hotelübernachtung sowie Schadenersatz in Form einer Kreditkarte im Wert von 220 Pfund (250 Euro).

Ausgleichszahlungen sind vorgeschrieben

Alles richtig, allerdings zeigte sich die Airline hier nicht besonders großzügig, sondern erfüllte nur die EU-Vorschrift. Die schreibt auch genau die Ausgleichszahlungen vor: Bei Distanzen bis 1500 Kilometer, wie im Fall London–Stuttgart, sind es genau 250 Euro. Weil Amélie minderjährig ist, organisierte British Airways zudem eine Begleitung. Eine Mitarbeiterin brachte das Mädchen ins Hotel und am frühen Morgen zurück zum Flughafen. Am Schalter abgewiesen zu werden und am Abend nicht wie geplant nach Hause zu kommen, war für das Mädchen erst ein kleiner Schock, doch sie arrangierte sich schnell mit der Situation. Am Ende war es sogar ein kleines Abenteuer. „Ich durfte im Mitarbeiterbereich warten und da war das WLAN super. Und mein Hotelzimmer war auch ganz toll.“

Was tun bei Überbuchung?

Regelungen bei Überbuchungen, Verspätungen und Annullierungen: In der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist geregelt, welche Rechte Fluggäste bei überbuchten, verspäteten und annullierten Flügen haben. Die zuständige Aufsichtsbehörde ist das Luftfahrt-Bundesamt mit Sitz in Braunschweig, bei dem es ein Bürgertelefon für Beschwerden gibt: Es ist Montag bis Donnerstag von 10 bis 13 Uhr erreichbar, Telefon: 05 31 / 2 35 51 15, oder auch per E-Mail an: fluggastrechte@lba.de. Die Ausgleichszahlungen bei Überbuchungen sind abhängig von der Entfernung. Sie betragen zwischen 250 Euro (bis 1500 km) und 600 Euro (über 3500 km). Darüber hinaus haben gestrandete Passagiere auch Anrecht auf Betreuungsleistungen wie Mahlzeiten, Erfrischungen, kostenlose Telefonate, Hotelübernachtungen und Transfers zum Hotel. Darauf haben Passagiere auch bei Annullierungen Anspruch. Bei gestrichenen Flügen gelten Sonderregeln, so sind Entschädigungen z. B. davon abhängig, wann der Kunde über den Ausfall informiert wurde.