Zweimal die Woche kommt der Arzt Ashraf Noman in die Asylunterkunft Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die ärztliche Versorgung von Flüchtlingen insbesondere in großen Notunterkünften bleibt ein Problemthema. Weil es für die Menschen schwierig ist, einen Arzt im Umfeld der Einrichtungen zu finden und die Praxen schnell überfordert sind, hat die Stadt Stuttgart ein Pilotprojekt begonnen.

Stuttgart - Die ärztliche Versorgung von Flüchtlingen insbesondere in großen Notunterkünften bleibt ein Problemthema. Weil es für die Menschen schwierig ist, einen Arzt im Umfeld der Einrichtungen zu finden, und die Praxen schnell überfordert sind, hat die Stadt Stuttgart ein Pilotprojekt begonnen: In zwei großen Interimsquartieren hält ein Arzt jede Woche zweimal Sprechstunde.

Ashraf Noman hat zurzeit gut zu tun. Zweimal in der Woche, immer am Dienstag und am Donnerstag, ist der aus dem Jemen stammende Arzt jeweils einen halben Tag in Halle 2 im Neckarpark und in der ehemaligen Zentrale von Hahn und Kolb an der Borsigstraße tätig. Da der 32-Jährige, der in Tübingen Medizin studiert hat, Arabisch spricht und viele der Bewohner in den beiden Unterkünften mit 400 und 450 Plätzen aus Syrien und dem Irak stammen, bildet sich schnell eine Schlange, wenn er Sprechstunde hält.

Praxen haben Mühe mit den neuen Patienten

„Gestern habe ich 60 Patienten gesehen“, sagt Ashraf Noman über seinen Einsatz am Vortag. Der Arzt ist mit einem Rettungswagen unterwegs und wird von zwei erfahrenen Krankenschwestern unterstützt. Häufig sind es akute Infekte, die das Team behandelt, auch kleinere Wunden werden versorgt. Und es kommen Krankheiten gehäuft vor, deren Ausbreitung durch die Großunterkunft begünstigt wird. „Im Februar hatte fast jeder Zweite eine Mandelentzündung – in jedem Heim“, sagt Moman. Immer wieder muss der Mediziner seine Patienten davon überzeugen, dass ein Arzt nicht nur dann gute Arbeit macht, wenn er Spritzen gibt und Tabletten verabreicht. Da sei es von Vorteil, des Arabischen mächtig zu sein.

„In den großen Unterkünften hatten wir Handlungsbedarf“, sagt der Abteilungsleiter Flüchtlinge beim Sozialamt, Marco-Oliver Luz, über das Kooperationsprojekt von Stadt, Malteser Hilfsdienst und Deutschem Rotem Kreuz (DRK). Die Erfahrung der vergangenen Monate habe gezeigt: In den Notunterkünften sind die Menschen oft nicht lange genug, um ins vorhandene medizinische System integriert werden zu können, sie finden im Umfeld nur schwer einen Arzt. Die Praxen haben Mühe mit den neuen Patienten, weil die Verständigung nicht klappt. Deshalb gehen viele Flüchtlinge direkt in die Notfallpraxen der Krankenhäuser oder rufen schon wegen geringer gesundheitlicher Probleme den Rettungsdienst. Dies sei „mit einer gewissen Häufigkeit“ vorgekommen, sagt Luz. Joachim Fässler, der Leiter des Rettungsdienstes im Bezirk bei den Maltesern, erklärt: „Es geht dabei oft nur um Kleinigkeiten.“ Solche Kleinigkeiten aber sind ein Problem für den ohnehin strapazierten Rettungsdienst. „Diese zusätzlichen Einsätze belasten das System“, sagt Fässler. Seit Anfang April läuft das Pilotprojekt nun, das die Stadt im Alleingang mit den beiden Partnern realisiert hat. Denn eigentlich sollte bereits eine Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg und der Landesregierung unterschrieben sein, welche die Versorgung von Flüchtlingsheimen parallel zum Hausarztsystem regelt. „Bislang ist dieses aber nicht zustande gekommen“, sagt KV-Sprecher Kai Sonntag. Man setze auf die neue Landesregierung.

Traumatisierte Kinder liegen ihm besonders am Herzen

Mediziner wie Ashraf Noman sollen diese Versorgungsvereinbarung dann mit Leben erfüllen. Der 32 Jahre alte Jemenit ist als freiberuflicher Arzt tätig und versieht sonst mit Kollegen in der Nacht und am Wochenende in Stuttgart den hausärztlichen Bereitschaftsdienst. Für den Einsatz in den beiden Flüchtlingsunterkünften würde er sich noch eine etwas bessere Ausrüstung des Fahrzeugs wünschen, etwa ein kleines Labor. Von den Patienten, die er zum Facharzt überweist, liegen ihm die traumatisierten Kinder besonders am Herzen. Wie jene drei Neunjährigen, die wegen ihrer Kriegserlebnisse noch immer ins Bett machen. „Wir brauchen mehr Termine für den Psychiater“, betont Ashraf Noman.