Ein ausrangierter Starfighter erinnert auf dem Gelände der ehemaligen Zollernalbkaserne in Meßstetten an die frühere militärische Nutzung Foto: dpa

Die neu eröffnete Landeserstaufnahmeeinrichtung in Meßstetten ist für das Land nur eine „Notlösung“ – in unmittelbarer Nähe befindet sich der Truppenübungsplatz Heuberg.

Stuttgart/Meßstetten - Die Gemeinde Stetten am kalten Markt hält einen besonderen Service für ihre Bürger bereit. Auf der Homepage veröffentlicht sie die „aktuellen Schießzeiten“ der Bundeswehr auf dem angrenzenden Truppenübungsplatz Heuberg. Für den gestrigen Dienstag lautete die Auskunft: 6.45 bis 23.30 Uhr.

In Hörweite des letzten noch militärisch genutzten Truppenübungsplatzes Süddeutschlands liegt indes nicht nur Stetten am kalten Markt, sondern auch Meßstetten mit der ehemaligen Zollernalbkaserne. Dort wurde am Dienstag die neue Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für 500 Flüchtlinge offiziell eröffnet; sie soll die dringend benötigte Entlastung für die zentrale Aufnahmestelle in Karlsruhe bringen. „Innerhalb von nur zehn Wochen ist es gelungen, eine LEA aufzunehmen und in Betrieb zu nehmen“, formulierte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) anerkennend.

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, war seinerseits voll des Lobes: „Meßstetten zeigt beispielhaft, wie es gelingen kann, einen neuen Standort zur Erstaufnahme von Flüchtlingen pragmatisch und schnell auf die Beine zu stellen.“ Grund genug, mit allen Beteiligten im Anschluss an die Eröffnung ein „Helferfest“ in der Turn- und Festhalle von Meßstetten zu feiern.

Dass man im Integrationsministerium dennoch von einer „Notlösung“ spricht, erklärt sich aus der abgelegenen Lage der Einrichtung auf der Schwäbischen Alb. Vor allem aber aus dem militärischen Hochbetrieb in der Nachbarschaft. „Es hat gerade ordentlich gerumpelt“, sagte der Landrat des Zollernalbkreises, Günther Martin Pauli (CDU), nach der Eröffnungsveranstaltung am Telefon. Eben hatte er einen Rundgang durch die Einrichtung beendet.

Erleichtert stellte er dabei fest, dass die bisher rund 200 Flüchtlinge auf das „Gerumpel“ – das Schießen in ihrer Nachbarschaft – ruhig reagierten. Einigen von ihnen kommen aus den Kriegsgebieten im Irak und in Syrien, aus Gegenden dröhnenden Waffenlärms. Während ihres auf drei bis sechs Wochen befristeten Aufenthalts in der Zollernalbkaserne entsteht die Geräuschkulisse wieder – wenn auch in völlig anderer Form.

Eine Problematik, auf die etliche Bürger aufmerksam machten. Darunter der CDU-Oberbürgermeister des knapp 40 Kilometer entfernten Tuttlingen, Michael Beck. Vor eineinhalb Wochen, beim Landesparteitag der Grünen in seiner Stadt, drückte er in einem Grußwort die Bitte aus, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten nach Möglichkeit nicht „neben einem Truppenübungsplatz unterzubringen, der zum Leben erwacht“.

Das Integrationsministerium kann die Bedenken verstehen. Beim „Suchlauf“ durchs Land habe sich allerdings nur Meßstetten für eine schnelle Lösung angeboten, sagte ein Sprecher auf Anfrage. In Kenntnis der Situation habe man die Dauer der Einrichtung auf zwei Jahre beschränkt.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe, das für die Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig ist, versichert, auf die besondere Situation von Kriegsflüchtlingen Rücksicht zu nehmen. Wenn die Ankommenden „erkennbar traumatisiert“ seien, würden sie nicht nach Meßstetten verlegt. Ihre ärztliche Untersuchung erfolgt allerdings erst dort – unter Einbeziehung einer Psychologin. Sollten Flüchtlinge den Wunsch äußern, woanders untergebracht zu werden, würde dem selbstverständlich entsprochen, betonte ein Sprecher: „Bisher war das noch nicht der Fall.“ Seit drei Wochen, ist die Einrichtung inoffiziell in Betrieb.

Die Auskunft des Regierungspräsidiums deckt sich mit den Beobachtungen von Landrat Pauli. Nach eigenen Worten war er darauf gefasst, dass das Thema bei der Einweihung am Dienstag zur Sprache kommt. Auf keinen Fall wolle man, dass die Flüchtlinge in Meßstetten „zusätzliche Schockerlebnisse“ zu verkraften hätten, betonte er. Bei einem Gespräch mit rund einem Dutzend junger Männer aus Syrien hat Pauli in dieser Hinsicht jedoch nichts Negatives vernommen. Der Landrat führt das auch darauf zurück, dass die Bundeswehr die Flüchtlinge über die friedlichen Übungen in ihrer Nähe ausführlich informiert.

Ähnlich wie die Homepage der Gemeinde Stetten am kalten Markt. Dort erfährt man: Auch an diesem Mittwoch wird auf dem Truppenübungsplatz wieder geschossen. Nur kürzer. Von 6.45 bis 16.15 Uhr.