Die verzweifelte Lage in Syrien, wie hier in Ale Foto: dpa

Die Christdemokraten wollen der deutschen Öffentlichkeit deutlicher machen, dass sich die Politik der Ursachen für die Flüchtlingsströme annimmt. Dazu könnte die Bundeswehr einen Beitrag leisten.

Berlin - Die Nerven liegen allmählich blank. Dreieinhalb Stunden wogt am vergangenen Dienstag die Debatte in der Fraktionssitzung hin und her. Dabei ist noch kein einziger der zehn weiteren Tagesordnungspunkte angesprochen worden. So turbulent, so heftig verläuft die Aussprache zu den obligatorischen Berichten von Kanzlerin und Fraktionschef. Die ohnehin von der Griechenlandkrise mental durchgerüttelten Angeordneten bekommen in ihren Wahlkreisen die Skepsis vieler Bürger über den flüchtlingsfreundlichen Kurs Angela Merkels zu spüren.

Da geht die Angst um. Im Frühjahr wird unter anderem in Baden-Württemberg gewählt. Irgendetwas, so der Tenor der meisten Wortmeldungen, muss man der aufkommenden Stimmung entgegensetzen. Fraktionschef Volker Kauder nimmt das auf. Er verlangt, dass sich die Politik offensiver als bisher den Fluchtursachen widmet. Die müssten nun entschieden bekämpft werden.

Fluchtursache – das ist natürlich die Situation in Syrien, letztlich der Terror des IS. Genau hier wird in der Union ein durchaus spektakulärer Stimmungsumschwung greifbar. Bislang galt auch bei den Christdemokraten die Überzeugung, dass man die Bundeswehr aus diesen Konfliktzonen weitgehend heraushalten sollte. Aber der Wind dreht sich gerade. Hintergrund ist die Aussicht, dass sich Russland endlich dazu verstehen könnte, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein UN-Mandat für Syrien mitzutragen. Wenn das passiert, stehen innenpolitisch spannende Debatten an. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es im Verteidigungsministerium längst Überlegungen, Aufklärungstornados der Bundeswehr anzubieten. Die könnten hilfreich sein, wenn es darum geht, zum Beispiel in Syrien Schutzzonen und Korridore für Flüchtlinge einzurichten. Das fände in der Unionsfraktion inzwischen eine sichere Mehrheit. Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sagte unserer Zeitung: „Wenn es ein UN-Mandat geben wird, müssen wir die deutsche Beteiligung ganz neu bewerten.“ Man müsse die deutsche Öffentlichkeit behutsam darauf vorbereiten.

Mutter aller Fragen: Kann sich die Bundeswehr heraushalten?

Dann aber drängt sich gleich die Mutter aller Fragen auf: Der Schutz einer Sicherheitszone ist das eine. Der offensive Kampf gegen den IS etwas ganz anderes. Sollte es eine Allianz dafür geben: Könnte sich dann die Bundeswehr heraushalten, oder sollte sie sich aktiv engagieren – gar mit Bodentruppen? Auch das ist in der Union kein Tabu mehr. Allerdings gibt es unterschiedliche Meinungen. Sowohl Fraktionschef Volker Kauder als auch Kiesewetter sehen hier vor allem die Golfstaaten am Zug. Kiesewetter sagt klar: „Bodentruppen müssen aus Arabien kommen“. Gemeint sind vor allem die Golfstaaten. Und Volker Kauder machte in der Fraktion klar, dass der Konflikt nicht zum Showdown von Christen gegen Sunniten umgedeutet werden dürfe.

Aber es gibt auch andere Stimmen. Der Pforzheimer Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum sagte unsere Zeitung: „Natürlich brauchen wir ein UN-Mandat. Aber wenn es dann zum militärischen Kampf gegen den IS kommt, darf ein so wichtiges Land wie Deutschland nicht gleich von vornherein sagen, was mit ihm nicht zu machen ist. Die Lage ist viel ernster, als es viele zur Zeit wahrnehmen.“ Auch für Krichbaum geht es nicht ohne die Golfstaaten. Aber der Westen müsse im Falle des Falles „objektiv klären, wer welche Stärken hat und einbringen kann.“

In der SPD verfolgt man diese neue Offenheit der Union mit gewissen Sorgen. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, hält es für „naiv zu glauben, dass ein massiver Militäreinsatz die Fluchtursachen bekämpfen könne“. Arnold: „Das ist eine Milchmädchen-Rechnung. Neue Kämpfe vertreiben noch mehr Menschen.“ So sieht es auch der Fraktionsvize und Außenpolitiker Rolf Mützenich. Er warnt dringend davor, „mit solchen Tönen die Bemühungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu konterkarieren, diplomatische Fäden zu knüpfen und etwa den Iran in eine Gesamtlösung mit einzubinden.“ Dazu aber müsse der Moment nach der Atomeinigung mit Teheran genutzt werden.“