Angela Merkel hält ihr „Wir schaffen das“ zur deutschen Flüchtlingspolitik vor einem Jahr immer noch für richtig. Foto: dpa

Ein Jahr danach: Angela Merkel hält ihr „Wir schaffen das“ immer noch für richtig. Fehler wurden gemacht, sagt sie, aber lange davor. Aus ihrer Partei bekommt sie Unterstützung für eine neue Amtszeit.

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deutsche Fehler in der Flüchtlingspolitik der Vergangenheit eingeräumt, gleichzeitig aber ihre vor einem Jahr formulierte Zuversicht bekräftigt. „Gesagt habe ich „Wir schaffen das“ aus tiefer Überzeugung“, betonte die CDU-Vorsitzende in der „Süddeutschen Zeitung“. Allerdings habe es davor erhebliche Versäumnisse gegeben.

Problem zu lange ignoriert

„Auch wir Deutschen haben das Problem zu lange ignoriert und die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Lösung verdrängt“, sagte Merkel zwölf Monate nach der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge. „Schon 2004 und 2005 kamen ja viele Flüchtlinge, und wir haben es Spanien und anderen an den Außengrenzen überlassen, damit umzugehen“, sagte Merkel. „Und ja, auch wir haben uns damals gegen eine proportionale Verteilung der Flüchtlinge gewehrt.“

Genau ein Jahr nach ihrem Satz „Wir schaffen das“ vor der Bundespressekonferenz in Berlin am 31. August 2015 erklärte Merkel, sie habe die drei Worte in dem Bewusstsein gesagt, dass Deutschland vor einer großen Aufgabe stehe. „Als Kind der deutschen Einheit war mir klar, dass wir wieder viele neue Wege gehen, bürokratische Hindernisse abbauen mussten und Ängste auch.“

Fehler der Vergangenheit seien offensichtlich. „Wir haben uns des Themas lange nicht angemessen angenommen.“ Deutschland sei nach der Aufnahme vieler Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien froh gewesen, dass vorrangig andere Staaten das Thema zu bewältigen hatten. „Das kann ich nicht leugnen.“

Längerer Atem ist nötig

Heute müsse man einen längeren Atem haben, um in Europa insgesamt zu einer fairen Lösung zu kommen. Das gelte auch für den Schutz der Außengrenzen des Schengenraums, sagte Merkel. „Auch Deutschland war nicht immer Anhänger von Modellen, die wie etwa durch Frontex die Souveränität der Mitgliedstaaten eingeschränkt hätten.“

Merkel bemühte sich, den Bürgern Ängste vor den Folgen des aktuellen Flüchtlingszustroms zu nehmen. Der Terrorismus sei nicht erst mit den Flüchtlingen nach Deutschland gekommen. Deren große Mehrheit erhoffe Ruhe und eine neue Chance. „Deutschland wird Deutschland bleiben, mit allem, was uns daran lieb und teuer ist“, sagte sie.

Wie Merkel räumte auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) frühere Fehler ein. „Wir hätten vielleicht schon in den Jahren 2008 bis 2015 dafür sorgen müssen, dass die europäische Außengrenzsicherung besser vorankommt“, sagte er dem ZDF-„Morgenmagazin“. Jetzt müsse die „große Aufgabe der Integration“ bewältigt werden.

Beispiel an Mitmenschlichkeit

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, durch die Aufnahme von Hunderttausenden von Menschen habe Deutschland ein Beispiel an Mitmenschlichkeit gezeigt. Nun gehe es darum, die Flüchtlinge zu integrieren. Dazu seien die Weichen gestellt. „Angela Merkel hat in der Fraktion und in der Partei großen Rückhalt“, betonte Kauder. „Es gibt eindeutig den breiten Wunsch, dass sie wieder kandidiert.“

Die Organisation Pro Asyl macht Merkel dagegen schwere Vorhaltungen. Der Bereitschaft vor einem Jahr, Flüchtlinge zu schützen, sei ein „langanhaltender Winter der Restriktionen“ gefolgt. Er beklagte vor allem Einschränkungen des Asylrechts. In Europa habe die Regierung Merkels einen Kurswechsel vorgenommen, der öffentlich nicht eingestanden werde. „Statt Schutz der Flüchtlinge geht es heute nur noch um den Schutz vor den Flüchtlingen.“