Im Winnender Schelmenholz hat der Kreis mit einer Firma des Stuttgarter Architekten Werner Sobek flexibel gestaltbare Flüchtlingsunterkünfte geschaffen, welche die Stadt möglicherweise später für die Anschlussunterbringung nutzen könnte. Foto: Gottfried Stoppel

3200 Flüchtlinge sollen im kommenden Jahr von den Gemeinschaftsunterkünften unter der Regie der Kommunen in die sogenannte Anschlussunterbringung wechseln. Doch der nahtlose Übergang wird kaum möglich sein.

Rems-Murr-Kreis - Nach der großen Flüchtlingswelle zum Ende des vergangenen und Anfang dieses Jahres ist die Zahl der Zuwanderer seit April auf einem konstant niedrigen Niveau. Lediglich sechs Personen, die in Deutschland Asyl suchen, werden dem Rems-Murr-Kreis zurzeit im Schnitt pro Woche zugewiesen. Zum Vergleich: in „Spitzenzeiten“ waren es noch 150 und mehr gewesen. Der Druck, ständig neue Unterkünfte schaffen zu müssen, sei gewichen, räumt der Landrat Richard Sigel ein. Dennoch stehe Kreis und Kommunen die nächste „Riesenherausforderung“ bevor. Für zahlreiche Flüchtlinge muss eine sogenannte Anschlussunterbringung sichergestellt werden. Hinzu komme die Unsicherheit darüber, was das Land an Kosten erstatte, wofür der Kreis in Vorleistung gegangen sei.

4400 Flüchtlinge im Kreis untergebracht

Mehr als 4400 Asylsuchende sind zurzeit unter der Regie des Kreises in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. 800 von ihnen müssten diese eigentlich schon jetzt verlassen, weil ihr Asylverfahren abgeschlossen ist oder dieses bereits seit mehr als 24 Monaten läuft. In diesen Fällen wären die Kommunen für die Anschlussunterbringung zuständig. Doch weil kostengünstiger Wohnraum allenthalben knapp ist, klappt der nahtlose Übergang vielfach nicht. Im kommenden Jahr wird sich diese Situation noch drastisch verschärfen. Laut dem Ersten Landesbeamten Bernd Friedrich rechnet das Landratsamt mit 3200 Personen, für die neue Lösungen anstünden. Jedes Quartal müssten damit 800 Menschen in die Obhut der Kommunen gegeben werden.

Während einerseits abzusehen ist, dass der Kreis wohl noch einige Zeit als „Puffer“ in Anspruch genommen werden muss, arbeitet die Behörde andererseits an einem Konzept zum Abbau der Kapazitäten. Sollte es bei der aktuellen Entwicklung der Flüchtlingszahlen bleiben, werde man laufende Vorhaben zurückstellen oder stornieren müssen, sagt Friedrich, und bestehende Mietverträge unter Umständen vorzeitig beenden. Auch eine „signifikante Reduzierung der Security-Leistungen“ werde angestrebt. Im Vergleich zu den Nachbarkreisen sei dieser Bereich sehr gut ausgestattet. Zudem will man sich Gedanken machen, wie Gemeinschafts- in Anschlussunterkünfte umgewandelt werden können. Eine Möglichkeit wäre etwa, den Kommunen die bei Kärcher-Futuretech in Schwaikheim bestellten Wohncontainer anzudienen.

Ungewissheit bei der Kostenerstattung

Der Spardruck ist nicht nur wegen der allgemein schwierigen Haushaltslage groß. Über allem schwebt auch die Ungewissheit, welche der entstandenen oder entstehenden Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen am Landratsamt hängen bleiben. Zwar hat das Land den Kreisen versprochen, auch jene Aufwendungen zurückzuerstatten, die über die pauschale Vergütung – pro Flüchtling zurzeit knapp 14 000 Euro – hinausgehen, allerdings ist die sogenannte Spitzabrechnung mit Einschränkungen verbunden. So werden beispielsweise die Vorfinanzierungskosten nicht erstattet, außerdem würden Maßstäbe einer „sparsamen Haushaltführung“ angesetzt – welche in Zeiten des großen Zuwandererdrucks offenbar nicht immer eingehalten werden konnten.

Während das Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben, bisher wegen der fließenden Pauschalen durch ständig neue Asylanträge noch vergleichsweise gut kalkulierbar gewesen ist, würde ein Ausfall im kommenden Jahr mächtig ins Kontor schlagen. Das Landratsamt kalkuliert damit, dem Land fast 42 Millionen Euro in Rechnung stellen zu müssen. „Die Flüchtlinge sind schließlich da und müssen versorgt werden“, sagt Bernd Friedrich. Gleichzeitig aber brächen wegen der wenigen neuen Fallpauschalen die „Erträge“ massiv ein.

Der größte Spagat freilich ist, für den Fall gerüstet zu sein, wenn die Entwicklung nicht so eintrifft, wie sie sich momentan noch abzeichnet. „Wir müssen gleichzeitig vorbereitet sein für einen erneuten Anstieg der Zuwanderung“, sagt Friedrich.

Die letzten vier Notunterkünfte werden geräumt

Die meisten Schulen und Vereine indes können dank der stark reduzierten Flüchtlingszahlen mittlerweile wieder einen Normalbetrieb in ihren angestammten Sporthallen anbieten. Bis auf zwei Hallen – eine im Berufsschulzentrum in Waiblingen und die Espachhalle in Urbach – sind laut Angaben einer Landratsamtssprecherin alle wieder freigegeben worden. Beide sollen, ebenso wie eine Notunterkunft in einem ehemaligen Supermarkt in Allmersbach, bis zum Jahresende geräumt werden. Die letzte provisorische Unterbringung von 80 Personen in einer Gewerbehalle in Rudersberg soll Anfang Januar aufgelöst werden.