Ein Retter hält das tote Baby in den Armen. Foto: Eikon Nord GMBH Germany

Die Rettungsgruppe Sea-Watch hat ein erschütterndes Foto veröffentlicht. Ein Baby ist aus dem Mittelmeer geborgen worden – tot. Das Bild ist ein Symbol für die Katastrophe an Europas Grenzen.

Stuttgart - Das Foto strahlt Ruhe und Würde aus. Es vermittelt den Eindruck, dass ein Seemann ein Kind geborgen habe. Das Kind scheint friedlich zu schlafen. Aber der Eindruck ist eine furchtbare Täuschung: Das Baby in den Armen des Retters ist tot – ertrunken im Mittelmeer. Er habe geglaubt, das Kind sei noch am Leben gewesen, sagt Martin – nur sein Vornamen ist bekannt. Martin ist Musiktherapeut, Vater dreier Kinder und Mitarbeiter bei der privaten Seenotrettung Sea-Watch, die mit einem Fischkutter im Mittelmeer Flüchtlinge zu retten versucht. „Ich habe zu singen anfangen, um mich selbst zu trösten und irgendeinen Ausdruck zu finden für diese unglaubliche, herzergreifende Situation“, sagte Martin der Agentur Reuters. Nur sechs Stunden zuvor müsse das Kind noch am Leben gewesen sein.

Niemand soll die Augen verschließen

Die Katastrophe war am vergangenen Freitag passiert. Sea-Watch barg 45 Leichen und 135 Überlebende aus dem Meer. Am Montag entschied sich die Organisation dazu, das Foto zu veröffentlichen. Darf man solch ein Bild zeigen? Ja. Es ist ein Dokument der Zeitgeschichte. Es ist ein Symbol für die entsetzliche Katastrophe am Rande Europas. Nachrichtenagenturen und internationale Blätter wie die „Washington Post“ haben das Bild veröffentlicht. „Wenn Ihr diese Fotos nicht sehen wollen, hört auf sie zu produzieren“, sagte Harald Höppner, der Gründer von Sea-Watch, der „Washington Post“.

Einige Medien haben das Gesicht des Kindes unkenntlich gemacht – gepixelt wie man es bei Angeklagten oder Verdächtigen tut. Schon einmal hat das Foto eines ertrunkenen Kindes die Welt erschüttert und die Politiker zum Handeln gebracht: Es war der dreijährige Alan Kurdi, der im September 2015 tot an einen türkischen Strand gespült worden ist. An Europas Grenzen sterben Kinder – niemand sollte die Augen davor verschließen.