Der Zustrom an Flüchtlingen nach Baden-Württemberg hält an Foto: dpa

1100 Flüchtlinge kommen derzeit täglich nach Baden-Württemberg. Die kommunale Ebene klagt deshalb über kaum noch zu stemmende Kosten. Nun ist Entspannung in Sicht.

Stuttgart - Wenn sich die Führungsgremien von Landkreistag, Städtetag und Gemeindetag derzeit zu Routinesitzungen treffen, bedarf es eigentlich selten einer Tagesordnung. Es gibt fast nur ein Thema: die Flüchtlinge und die Frage, wie die Masse an Menschen untergebracht, versorgt und dauerhaft integriert werden kann. Und die Probleme werden nicht weniger. Wie ein Sprecher der Landes-Koordinierungsstelle für die Flüchtlinge am Montag unserer Zeitung sagte, kommen derzeit im Schnitt weiterhin 1100 Asylbewerber pro Tag nach Baden-Württemberg.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weiß um die Not, mit denen die Kreise und Kommunen deshalb zu kämpfen haben. Schon vor Wochen hatte Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags, in einem Brandbrief an die Politik deutlich gemacht, die kommunale Ebene befinde sich „im Krisenmodus“. Eine weitere Belastung, gerade auch finanzieller Art, sei kaum noch hinnehmbar. Kehle warnte seinerzeit vor einem Stimmungsumschwung in der noch hilfsbereiten Bevölkerung, wenn wegen der Flüchtlingskosten kommunale Ausgaben für Schulen und Vereine nicht mehr möglich seien. Am vergangenen Wochenende signalisierte Kretschmann deshalb am Rand des Grünen-Parteitags in Pforzheim, man werde den Kommunen noch mehr helfen, wenn sie sich auf eine einheitliche Linie einigen würden. „Die sollen auskömmlich ausgestattet werden“, so der Ministerpräsident, denn er lege „keinen Wert auf Auseinandersetzungen mit Gemeinderäten und Kreistagen“.

Spitzabrechnung soll kommen

Die vom Regierungschef geforderte gemeinsame Linie ist nun erreicht. Wie es am Montag nach einer Sitzung des Städtetags-Vorstands in Stuttgart hieß, streben die kommunalen Verbände die sogenannte Spitzabrechnung an. Soll heißen: Kreise und Kommunen bekommen nicht mehr die einmalige Pauschale von derzeit 13 260 Euro pro Flüchtling, sondern dürfen die entstandenen Kosten für Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung direkt mit dem Land abrechnen. „Darauf läuft es hinaus“, bestätigte ein Regierungsvertreter am Montag. Die letzten Details sollen am heutigen Dienstag bei einem Treffen der kommunalen Ebene mit Finanzminister Nils Schmid (SPD) geklärt werden.

Grüne und SPD hatten sich zuletzt nach intensiven Beratungen bereits darauf geeinigt, im anstehenden Nachtragshaushalt 2015/2016 rund 1,7 Milliarden Euro zusätzliche Gelder für das Thema Flüchtlinge bereitzustellen. Weitere 40 Millionen Euro aus Bundesmitteln soll es laut Schmid für den Wohnungsbau geben.

Warnung vor Kostenexplosion

Trotz der bevorstehenden Einigung mit der kommunalen Ebene gibt es in der Koalition durchaus Bedenken, dass die Kosten durch die neue Form der Abrechnung explodieren könnten. „Man hat das dann nicht mehr im Griff“, heißt es aus den Reihen von Grün-Rot, wenn die Kommunen direkt mit der Landesoberkasse abrechnen. Hinzu kommt: Je nach Landkreis werden sich die Kosten ganz unterschiedlich entwickeln. Beispiel Immobilien: In ländlich geprägten Kreisen sind leer stehende Wohnungen noch eher und preiswerter zu finden als in städtischen Ballungsräumen.

Allein am grundsätzlichen Problem ändert das alles nichts: Ein Ende der Flüchtlingskrise ist nicht absehbar, da der Zustrom anhält. Ein Sprecher von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) bestritt aber am Mittwoch Vorwürfe von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, Baden-Württemberg habe zuletzt 10 000 Flüchtlinge zu wenig aufgenommen, die nun in Bayern warten. „Wir können diese Zahl nicht nachvollziehen“, so der Sprecher. Es gebe derzeit „unterschiedliche Ströme“, die ins Land drängen: über die Balkan-Route und die Verteilstation München, dazu Menschen, die direkt herkommen, und jene, „die schon hier sind, aber noch nicht registriert wurden“.