Sabine Müller (links, sitzend) und Ulrike Holch (rechts, stehend) vermitteln im Freiwilligen Zentrum Caleidoskop nicht nur Ehrenämter in der Flüchtlingshilfe. Foto: Privat

Wer Flüchtlingen helfen will, wird womöglich vertröstet. Denn die Caritas ist mit den vielen Flüchtlingen, aber auch wegen der vielen Helfer überlastet, berichtet die Leiterin der Ehrenamtlichen-Fachstelle.

Stuttgart - 28 Freundeskreise, 1500 ehrenamtliche Helfer, zahlreiche private Initiativen, stetig wachsende Projekte wie das „Welcome Dinner“ oder Plattformen wie „Refugees Welcome“ – das Helferherz in Stuttgart ist in Sachen Flüchtlinge groß und wächst stetig. Doch wer sich zur Zeit in der Flüchtlingshilfe engagieren möchte, wird oft erst einmal ausgebremst und vertröstet.

Denn sowohl für die Freundeskreise als auch für das Caleidoskop, die Fachstelle für Ehrenamtliche der Caritas Stuttgart, stellt die Zahl der Flüchtlinge und derer, die helfen wollen, eine Herausforderung dar. Um dieser neuen Dimension gerecht werden zu können, müssen für eine nachhaltige Hilfe erst einmal neue Strukturen geschaffen werden. Und das braucht Zeit.

Ulrike Holch, Leiterin des Caleidoskop, und Sabina Müller, Sozialarbeiterin, sprechen im Interview über das große Engagement der Stuttgarter, erklären, welche neue Strukturen geschaffen werden und betonen, dass den Flüchtlingen auch außerhalb der direkten Flüchtlingshilfe geholfen werden kann.

Frau Holch, wie ist momentan die Lage in der Flüchtlingshilfe bei der Caritas in Stuttgart?
Holch: Im Moment haben wir etwa 4500 Flüchtlinge in Stuttgart, davon befinden sich rund 2000 in der Verantwortung des Caritas-Verbandes. Das sind – sowohl was die Anzahl der Flüchtlinge, als auch die Anzahl der Hilfsbereiten angeht – völlig neue Dimensionen für uns, die auch neue Strukturen verlangen. Und dafür fehlt uns im Moment die Kapazität, das zu bewältigen.
Was wird getan, um diese Kapazität zu schaffen?
Holch: Der Caritasverband für Stuttgart hat bereits reagiert und gesagt, dass möglichst schnell zusätzliches Personal eingestellt werden muss, damit wir die Koordination der Ehrenamtlichen gut und sinnvoll hinbekommen. Deshalb befinden wir uns gerade in einem Stellenbesetzungsverfahren, was eben auch wieder Zeit bindet und erst mal keine Erleichterung, sondern vor allem auch Arbeit ist.
Wie kann man sich dieses Verfahren vorstellen?
Holch: Die Stelle soll im Prinzip zwei Dimensionen bekommen: Zum einen wäre das eine kommunal politische Dimension, denn wir wollen Strukturen schaffen, die Hilfe, aber auch Hilfsbereitschaft der Menschen möglichst nachhaltig zu stärken. Das heißt, wir brauchen gute Kooperationspartner, ein gutes und tragfähiges Netz, auch für den Fall, dass die Bereitschaft zurückgehen könnte. Auf der anderen Seite wollen wir Ehrenamtliche – und das ist im Caritas-Bild schon immer so – gezielt dort einsetzen, wo ihre Kompetenzen sind. Bei bis zu 100 Anfragen pro Woche ist das aber nicht mehr so leicht zu bewältigen.
Frau Müller, hat das zur Folge, dass im Moment viel weniger Menschen in der Flüchtlingshilfe vermittelt werden können, als eigentlich helfen wollen?
Müller: Ja, genau. Das liegt daran, dass die Mitarbeiter vor Ort in der Regel zuständig sind für die Leitung der Einrichtung und für die pädagogisch-soziale Betreuung der Bewohner. Kommt jetzt aber eine neue Welle an Flüchtlingen, dann müssen Sie nicht nur gucken, wie Sie Hunderte von Menschen erst einmal versorgen und unterbringen können, sondern müssen gleichzeitig auch eine entsprechende Anzahl an neuen Ehrenamtlichen einarbeiten und anleiten, damit wir den Flüchtlingen nachhaltig helfen können.
Wie definieren Sie nachhaltige Hilfe?
Holch: Das bedeutet, dass die Hilfe längerfristig ist und dass sich der einzelne Flüchtling auf diese Hilfe verlassen kann.
Müller: Wir gehen davon aus, dass ein Teil der Flüchtlinge, wie beispielsweise die aus Syrien, Iran, Irak, bleiben werden. Das heißt, es geht auch darum, die Leute hier zu integrieren. Deshalb ist es auch so wertvoll, dass einer, der hier lebt, den Flüchtlingen das Kulturelle, das deutsche Leben vermittelt.
Holch: Und das funktioniert kurzfristig natürlich nie.