Die Flüchtlingsunterkünfte an der Kameralamtsstraße sind mittlerweile zum Teil bezogen. Foto: Chris Lederer

Der Bezirksbeirat Stammheim hatte sein Einverständnis zu der vierten Flüchtlingsunterkunft an der Kameralamtsstraße nur unter der Bedingung gegeben, dass es an dem Standort eine medizinische Betreuung gibt. Das Sozialamt hat nun erklärt, dass es eine ärztliche Versorgung in den Unterkünften nicht für zwingend erforderlich hält.

Stammheim - Abgemacht war es anders: Der Bezirksbeirat hatte in seiner Sitzung im Februar von der Stadtverwaltung gefordert, dass es für die Bewohner der neuen Flüchtlingsunterkünfte an der Kameralamtsstraße eine medizinische Betreuung geben soll – wenn auch nur zeitweise. Nur unter dieser Bedingung hatten die Stammheimer Lokalpolitiker ihre Zustimmung erteilt, dass zu den geplanten drei Unterkünften eine vierte gebaut werden darf (wir berichteten).

Nun musste Bezirksvorsteherin Susanne Korge in der jüngsten Sitzung Anfang Mai mitteilen, dass es keine ärztliche Versorgung in den Unterkünften geben wird. Marco-Oliver Luz, Abteilungsleiter vom Sozialamt, hatte dem Bezirksbeirat in der Februar-Sitzung vermittelt, dass eine medizinische Versorgung auch von Seiten der Verwaltung gewünscht sei: „Wir prüfen mit den entsprechenden Organisationen derzeit konkret, wie wir eine regelmäßige ärztliche Sprechstunde in der Unterkunft in Stammheim und auch in anderen Unterkünften anbieten können.“ Vorgesehen sei für Stammheim eine Sprechstunde pro Woche, so Luz seinerzeit.

Sozialamt will Thema „im Auge behalten“

Korge zitierte nun ein Schreiben von Günter Gerstenberger, der beim Sozialamt für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig und der Marco-Oliver Luz unterstellt ist. Darin heißt es unter anderem, dass in den Räumen der Flüchtlingsunterkunft ärztliche Maßnahmen wie beispielsweise regelmäßige Sprechstunden zwar für „durchaus wünschenswert, jedoch nicht für zwingend erforderlich gehalten werden“. Bei den Stammheimer Systembauten handle es sich nicht um eine Notunterkunft, die mit neu zugewiesenen Flüchtlingen belegt werde, sondern um eine Einrichtung für die Dauer von zunächst fünf Jahren. „Da die Unterkunft nicht mit Neufällen belegt wird, sondern mit Flüchtlingen, die bereits seit zwei bis vier Monaten in Stuttgart leben, ist davon auszugehen, dass bei diesen die medizinische Versorgung bereits erfolgt“, äußert sich Gerstenberger. Im Hinblick auf die aktuell „begrenzten Kapazitäten“ der im Stadtbezirk niedergelassenen Ärzte könne den untergebrachten Flüchtlingen durchaus zugemutet werden, gegebenenfalls die umliegenden Stadtteile im Stuttgarter Norden aufzusuchen. Zusammen mit den Sozialarbeitern im Flüchtlingsheim wolle man das „Thema gerne im Auge behalten und die Erfahrungen der ersten Monate abwarten“. Er bitte um Verständnis.

Dieser Bitte wollten die Stammheimer Politiker nicht nachkommen, sie zeigten sich sichtlich verärgert. „Ich habe kein Verständnis für die Mail von Herrn Gerstenberger“, sagte CDU-Bezirksbeirat Stefan Kulle. „Wir sollten an unserer Forderung festhalten.“ Auch SPD-Beirat Peter Dietz-Vowinkel war mit Gerstenbergers Ausführungen nicht einverstanden: „Die Situation, die er schildert, entspricht nicht den Tatsachen.“

Ärzte im Bezirk können keine weiteren Patienten aufnehmen

Bezirksvorsteherin Susanne Korge hatte zuvor erklärt: „Alle drei Ärzte im Stadtbezirk sehen sich außer Stande, weitere Patienten aufzunehmen.“ Von den bereits in Stammheim angekommenen 82 Flüchtlingen hätten nur einzelne bereits einen Arzt, der sie betreut. „Sie haben nur Ärzte in der Innenstadt gefunden.“ Fraglich sei allerdings, welcher Flüchtling sich ein Ticket leisten könne, wenn er beispielsweise nur eine Blutprobe abgegeben müsse. „Fünf Euro hin und zurück ist vielen zu teuer“, sagte Korge. „Außerdem macht wohl kein Arzt aus der Innenstadt Hausbesuche in Stammheim.“ Brigitte Lauber von den Grünen: „Es wird künftig öfter nötig werden, dass man den Notarzt rufen muss“, sagte sie, die sich wie andere Beiräte auch im Freundeskreis für Flüchtlinge engagiert: „Weder der Freundeskreis noch der Sozialdienst sehen sich in der Lage, die Leute zu Arztbesuchen in die Innenstadt zu begleiten.“

Einstimmig verlieh der Bezirksbeirat seiner Forderung nach einem ärztlichen Dienst in der Flüchtlingsunterkunft Nachdruck. Außerdem forderte das Gremium, dass das Sozialamt eine Liste vorlegt mit Ärzten in der Umgebung, die in der Lage sind, Flüchtlinge medizinisch zu betreuen.