Djilali Hadj (Zweiter von links) mit seinem Fürsprecher Günter Königsdorf, seinem potenziellen Chef Bernd Bruchmann und dem Kollegen Guy Kamena (von links) in der Schlosserei Kurt Beck. Foto:  

Der aus Marokko stammende Djilali Hadj hat eine Lehrstelle in einer Schlosserei in Möhringen in Aussicht. Er darf sie aber nicht antreten, weil er nur geduldet ist und keine Aufenthaltsgenehmigung hat.

Möhringen - Vor einem Jahr begann die Stadt, Flüchtlinge in einem ehemaligen Schwesternwohnheim in Rohr einzuquartieren. Der Bau eines weiteren Heims in Möhringen ist beschlossen. Die Entwicklung wird dabei nicht halt machen. Fünf Geschichten stehen stellvertretend für das vergangene Jahr und die nahe Zukunft und erzählen von Spannungen wie Solidarität gleichermaßen. Diesesmal: Ein Marokkaner will arbeiten, darf aber nicht.

Teil 1: Im Gespräch mit Sozialarbeitern des Rohrer Flüchtlingswohnheims. Teil 2: Eine syrische Familie flüchtet vor den Schlächtern der ISIS. Teil 3: Lärmgeplagte Anwohner fahren in Urlaub, um einmal durchschlafen zu können. Teil 4: Ein Marokkaner will eine Ausbildung in einer Schlosserei beginnen, darf aber nicht. Teil 5: Die Stadt Versucht, sich für die Zukunft zu wappnen.

Das Paradoxon ist perfekt: Stets wird vom Mangel an Bewerbern für Lehrstellen gesprochen, zugleich gibt es aber viele junge Menschen, die arbeiten wollen, aber nicht dürfen. Die Rede ist von Flüchtlingen, die nach Deutschland gekommen sind und geduldet werden, also noch keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Solch ein junger Mann ist auch Djilali Hadj. Seit fünf Jahren lebt der Marokkaner in Deutschland. Die Schlosserei Kurt Beck in Möhringen hat ihm eine Lehrstelle als Metallbauer angeboten. Bisher darf er diese aber nicht antreten. Mit dem Status als Geduldeter ist ihm eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet, so zu lesen in den Papieren, die er stets bei sich tragen muss. „Aussetzung der Abschiebung (Duldung)“ heißt das Dokument. Theoretisch könnte er jederzeit abgeschoben werden.

Bereits im Alter von 13 Jahren ist Djilali Hadj aus seiner Heimat Marokko geflohen, kam über Spanien und Frankreich schließlich nach Deutschland. Über die Gründe will er nicht viel sprechen. Er habe keine Zukunftsperspektive in dem wirtschaftlich schwachen nordafrikanischen Land gehabt, außerdem keine Familie. Djilali Hadj gehört zu den Flüchtlingen, die sich in einem anderen Land ein besseres Leben erhoffen, nicht zu denen, die wegen politischer Verfolgung fliehen müssen. Er ist Wirtschaftsflüchtling oder besser: Armutsflüchtling. Das ist nachvollziehbar, wer wünscht sich nicht ein besseres Leben? Eine Perspektive für die Zukunft, einen erfüllenden Job, finanzielle Sicherheit.

Eine Verfehlung hängt ihm nach

Das alles könnte Djilali Hadj haben, „wenn ich doch nur eine Chance bekäme, nur eine“, sagt er. Er kann einen Hauptschulabschluss mit guten Noten vorweisen, ein Berufsvorbereitungsjahr und die Zusage für eine Lehrstelle. Was ihm jedoch wie ein Klotz am Bein hängt, ist eine Straftat, die er vor fünf Jahren beging. Er hat Jeans geklaut, drei Stück. Er wurde erwischt und musste eine viermonatige Haftstrafe absitzen. Diese Verfehlung hängt ihm bis heute nach.

Günter Königsdorf ist einer, der sich für junge Asylsuchende einsetzt. Er ist im Rahmen des städtischen Integrationsprojekts „Startklar“ Lernpate an der Heusteigschule im Stuttgarter Süden. Voriges Jahr hat er schon einem anderen jungen Marokkaner eine Lehrstelle verschafft und einen Härtefallantrag beim Integrationsministerium gestellt, durch den der junge Mann schließlich eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hat. Das gleiche erhofft sich Königsdorf nun auch für Djilali Hadj. Bisher hat der 25-Jährige es aber noch nicht auf die Tagesordnung der Härtefallkommission geschafft. Diese tagt siebenmal im Jahr, in Kürze ist es wieder so weit.

Die Chefs glauben an ihn

Bernd und Ilona Bruchmann, die Inhaber der Schlosserei Kurt Beck, stellen ihrem Schützling bereits jetzt ein exzellentes Zeugnis aus – noch bevor er seine Lehrstelle antreten kann. Hadj hat in dem Betrieb bereits ein Praktikum absolviert, vermittelt von der Caritas. „Er hat großes Interesse gezeigt, sich sehr engagiert und passt gut ins Team“, sagt Bernd Bruchmann.

Trotz des wenigen Schlafs, den er im Asylbewerberheim in Untertürkheim bekam – die anderen dort waren lange wach und machten Lärm, er dagegen musste früh aufstehen – sei er immer zuverlässig und pünktlich gewesen, fügt Ilona Bruchmann hinzu. Gerne würden sie ihn als Lehrling einstellen. Die Handwerkskammer der Region Stuttgart hat die Ausbildung bereits genehmigt – obwohl Hadj noch gar keine Aufenthaltsgenehmigung hat. „Es gibt eben auch noch mutige Leute“, sagt Günter Königsdorf. „Es liegt nicht am Willen, sondern am politischen System, dass Djilali Hadj nicht loslegen kann“, sagt Bernd Bruchmann.

Brief an die Härtefallkommission

Der 25-Jährige hält sich penibel an die Auflagen, die der Staat ihm macht. Er hat sich eine Wohnung gesucht, einen Integrationskurs absolviert, bleibt straffrei. „Das Warten darauf, ob es nun klappt oder nicht, ist schlimm“, sagt Djilali Hadj. Er fühle sich sehr schlecht deswegen. „Ich will so gerne hier eine Ausbildung machen. Ich habe einen netten Chef und eine nette Chefin gefunden. So ein Glück habe ich bestimmt sonst nirgendwo.“Um die Sache voranzutreiben, will Günter Königsdorf sich nun persönlich an den Vorsitzenden der Härtefallkommission wenden. In der Hoffnung, dass der junge Mann nicht nach Schema F beurteilt wird. In der Hoffnung, dass die Verantwortlichen erkennen, dass Djilali Hadj willens ist. Willens eine Ausbildung zu machen, zu arbeiten und sich in die Gesellschaft einzubringen.

Bernd Bruchmann jedenfalls will ihm diese Chance geben. „Immer wird vom Lehrlingsmangel gesprochen, dabei gibt es unter den Flüchtlingen sicherlich ein großes Reservoir an potenziellen Fachkräften. Das ist eine verschenkte Gelegenheit“, sagt er. „Sobald Djilali seine Ausbildung hat, liegt er keinem mehr auf der Tasche. Er könnte schon längst Steuern zahlen.“