Am Lautlinger Weg wird bereits gebaut, das Heim soll im Dezember fertig sein. Foto: Ott

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Stuttgart, deshalb werden in der ganzen Stadt neue Unterkünfte gebaut. Klar ist jedoch, dass die bereits genehmigten Neubauten nicht ausreichen werden.

Filder - Vor einem Jahr begann die Stadt, Flüchtlinge in einem ehemaligen Schwesternwohnheim in Rohr einzuquartieren. Der Bau eines weiteren Heims in Möhringen ist beschlossen. Die Entwicklung wird dabei nicht halt machen. Fünf Geschichten stehen stellvertretend für das vergangene Jahr und die nahe Zukunft und erzählen von Spannungen wie Solidarität gleichermaßen. Diesesmal: Die Stadt braucht noch mehr Flüchtlingsunterkünfte.

Teil 1: Im Gespräch mit Sozialarbeitern des Rohrer Flüchtlingswohnheims. Teil 2: Eine syrische Familie flüchtet vor den Schlächtern der ISIS. Teil 3: Lärmgeplagte Anwohner fahren in Urlaub, um einmal durchschlafen zu können. Teil 4: Ein Marokkaner will eine Ausbildung in einer Schlosserei beginnen, darf aber nicht. Teil 5: Die Stadt Versucht, sich für die Zukunft zu wappnen.

Der Tieflader mit dem polnischen Kennzeichen bringt die vorgefertigten Betonteile. Knapp zweieinhalb auf zweieinhalb Meter messen sie, haben dort eine Aussparung, wo später einmal die Tür eingebaut wird, und werden mit einem Kran nebeneinandergesetzt wie Spielzeugbauklötze.

Systembauten sind heutzutage in hohem Maße standardisiert, architektonisch vielleicht wenig anspruchsvoll, deshalb aber nicht weniger solide als jedes andere Mehrfamilienhaus. Fünf Jahre soll die Flüchtlingsunterkunft, die derzeit am Lautlinger Weg wächst, mindestens stehen. Die Bauweise würde deutlich mehr erlauben. Mit einem Containerdorf früherer Zeiten hat das neue Möhringer Heim jedenfalls nichts zu tun.

2015 werden mehr als 3000 Flüchtlinge in Heimen wohnen

„Im Dezember werden wir damit fertig sein“, sagt Stefan Spatz, der Leiter des Sozialamts. Der Bauunternehmer wird die beiden zweistöckigen Gebäude neben den Bahngleisen zwischen Möhringen und Vaihingen schlüsselfertig übergeben. 159 Menschen werden dort ein neues Zuhause finden. Es wird nicht der letzte Neubau sein, das ist sicher.

„Die Zahl der Flüchtlinge hat in der ersten Jahreshälfte wieder um 60 Prozent zugenommen“, sagt Spatz. „Das setzt sich in Land und Stadt fort.“ Immer mehr Flüchtlinge werden Stuttgart zugewiesen. „Und 2015 werden die Zahlen von 2014 noch einmal übertroffen.“

Der 34. Stuttgarter Flüchtlingsbericht, der im Sommer vorgelegt wurde, beziffert den Bedarf. Waren Mitte 2013 noch 1095 Menschen in Unterkünften untergebracht, waren es in diesem Sommer bereits 1815. Schon zum Jahreswechsel dürfte die Zahl auf 2800 steigen. Nächstes Jahr wird die Marke von 3000 überschritten, daran besteht eigentlich kein Zweifel. Die Frage ist nur, in welchem Monat das geschieht.

Klar ist deshalb, dass das vor einem Jahr von der Stadt beschlossene Bauprogramm nicht reichen wird. Sechs neue Heime hat der Gemeinderat damals genehmigt. Das erste hat kürzlich in Plieningen eröffnet und bietet Platz für 159 Menschen. Noch in diesem Monat soll ein weiteres, gleich großes, in Zazenhausen übergeben werden.

Die Stadt arbeitet an einer Liste mit neuen Standorten

Im Oktober folgt eine Unterkunft in Bad Cannstatt, die dann mit 243 Plätzen die größte in Stuttgart sein wird und damit das Rohrer Heim an der Arthurstraße (200 Bewohner) vom Spitzenplatz verdrängt. Das Möhringer Bauwerk wird im Dezember fertig, die beiden in Mühlhausen und Feuerbach vermutlich im Februar.

Irgendwann im Frühjahr oder Sommer 2015 wird sich also eine neue Lücke auftun. Und deshalb ist die Stadt derzeit auf der Suche nach weiteren Standorten für Flüchtlingsunterkünfte. „Wir werden wieder mehr als 500 Plätze schaffen“, sagt Spatz. Eine Task Force, bestehend aus der oberen Leitungsebene verschiedener Ämter, erarbeitet derzeit eine Liste.

„Wir machen Vorschläge und die werden nach der Sommerpause in den betroffenen Bezirksbeiräten vorgestellt“, sagt der Leiter des Sozialamts. Dadurch würden auch die Bürger einbezogen. So war das auch im Herbst 2013 gemacht worden. In Möhringen hatte das dazu geführt, dass der ursprüngliche Standort am Kauslerweg aufgrund von Anwohnerbeschwerden zugunsten des Lautlinger Wegs aufgegeben wurde.

Spatz will zwar nicht verraten, wo die neuen Standorte sein könnten, doch könnte sich erneut Möhringen auf der Liste befinden. Denn es gab seinerzeit neben dem Lautlinger Weg eine zweite Alternative, die aus baurechtlicher Sicht keine Probleme darstellen würde, und auch der Bezirksbeirat hatte sie grundsätzlich abgenickt.

Noch gibt es keine Entscheidung über das Rohrer Heim

Es handelt sich dabei um einen Acker neben der Landhauskreuzung, diagonal gegenüber der ehemaligen Daimler-Zentrale. Das Gelände befindet sich im Besitz der Stadt, sie hatte im Frühjahr sogar den Bauantrag bereits ausgearbeitet – für den Fall, dass das Projekt am Lautlinger Weg doch nicht umgesetzt werden könnte.

Die Rohrer hatten nie die Möglichkeit mitzureden. Als die Stadt vor einem Jahr ein leer stehendes Schwesternwohnheim an der Arthurstraße anmietete, fragte sie niemand. Schließlich gab es das Gebäude ja schon. Die Anwohner beklagen sich seitdem über Lärm. So mancher kann nachts nicht mehr schlafen, weil vom Heim laute Gespräche und Musik herüberschwappen. Ihre Hoffnung: wenn der Pachtvertrag ausläuft, haben sie wieder ihre Ruhe.

„Der Mietvertrag gilt bis zum 31. Januar 2016“, sagt Spatz. Ob das Gelände inzwischen anderweitig verkauft wurde, weiß er nicht. Das Liegenschaftsamt, mit dem er in ständigem Kontakt steht, hätte ihn aber sicherlich informiert, wenn das geschehen wäre, meint er. Momentan jedenfalls „gibt es noch keine Verhandlungen, den Vertrag zu verlängern oder ihn auslaufen zu lassen“.

Nach wie vor will die Stadt am Stuttgarter Modell festhalten. In Zeiten niedriger Flüchtlingszahlen war es das Ziel, so viele Menschen wie möglich auf kleine Wohnungen zu verteilen, statt sie in Großunterkünften unterzubringen. Dies sollte die Integration fördern. „Wir suchen immer noch nach Wohnungen“, sagt Spatz. So sind etwa in Vaihingen derzeit 28 Menschen an der Waldburgstraße und fünf Menschen an der Ernst-Kachel-Straße untergebracht. In Möhringen leben keine Flüchtlinge in Wohnungen.

Teil 1: Im Gespräch mit Sozialarbeitern des Rohrer Flüchtlingswohnheims.

Teil 2: Eine syrische Familie flüchtet vor den Schlächtern der ISIS.

Teil 3: Lärmgeplagte Anwohner fahren in Urlaub, um einmal durchschlafen zu können.

Teil 4: Ein Marokkaner will eine Ausbildung in einer Schlosserei beginnen, darf aber nicht.

Teil 5: Die Stadt Versucht, sich für die Zukunft zu wappnen.