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Eine syrische Großfamilie ist im Bezirk mit offenen Armen empfangen worden. Sieben Monate war die 15-köpfige, kurdischstämmige Familie auf der Suche nach einer Möglichkeit, um nach Deutschland zu kommen.

Feuerbach - Familie Barzani (Name von der Redaktion geändert) kann es kaum fassen. Sie ist von der Herzlichkeit der Feuerbacher überwältigt. Seit etwa zwei Monaten leben die neun Erwachsenen und sechs Kinder im Alter zwischen zwei und 13 Jahren in einem Gebäude an der Leobener Straße – etwas beengt, umgeben von viel Verkehr und notdürftig eingerichtet. Das Geld ist knapp. Aber das spielt für sie keine Rolle. Alle sind glücklich und froh, überhaupt noch am Leben zu sein.

„Wir hatten Todesangst“

Die Barzanis wohnten bis vor Kurzem noch in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Familienoberhaupt Jindar war Schreinermeister, verdiente gut und hatte eine eigene Wohnung. Ihm und seiner Frau Nefel fehlte es an nichts. Auch die vier Söhne hatten sich eine Existenz aufgebaut. Drei sind verheiratet, haben Kinder. Die Söhne arbeiteten als Installateur, Koch oder bei einem Unternehmen für Telekommunikation. Doch ihr Leben änderte sich, als sich die Demonstrationen gegen das Regime des syrischen Staatspräsidenten Bashar al-Assad zu einem Bürgerkrieg entwickelten. Auch Familie Barzani ging friedlich auf die Straße, um ihren Unmut gegen die Regierung kundzutun.

Doch die Situation eskalierte. „Plötzlich wurde geschossen. Häuser wurden zerbombt. Überall lagen Leichen auf der Straße. Wir hatten Todesangst“, schildert der Sohn Argani. „Wir mussten fliehen, ehe wir getötet oder verhaftet wurden.“ Schnell wurden ein paar Habseligkeiten eingepackt. In einer Nacht- und Nebelaktion fuhren sie an die irakische Grenze und gelangten einen Tag später in die Türkei.

Die Sprachbarrieren sind noch da

Sieben Monate war die 15-köpfige, kurdischstämmige Familie dort auf der Suche nach einer Möglichkeit, um nach Deutschland zu kommen. „Viele Schlepperbanden sind auf uns zugekommen und haben sehr viel Geld verlangt“, erzählt Sohn Argani. Schließlich habe man einen Lastwagenfahrer gefunden, den man auch bezahlen konnte. Die Flucht kostete dennoch ein Vermögen – 7000 Euro für jeden Erwachsenen, die Hälfte für ein Kind. „Wir konnten froh sein, dass unsere wirtschaftliche Lage in Syrien so gut war“, sagt Argani. Die Fahrt sei dann aber ein furchtbares Erlebnis gewesen, das man so schnell nicht vergessen könne: Sieben Tage war die Familie in einem Transporter eingesperrt. An Schlaf war kaum zu denken. Die Kinder haben sich vor Angst an die Eltern geklammert. Mutter Nefel ist Diabetikerin. Ihr Gesundheitszustand war bedenklich. Auch Vater Jindar kam an seine Grenzen. Er hatte extreme Schwierigkeiten beim Atmen. „Wir wussten nicht, was mit uns passiert und wo wir gerade sind“, sagt Argani. Plötzlich hielt der Wagen an. Die Türen gingen auf. Familie Barzani sollte aussteigen. Das Ziel war erreicht – zumindest das der Schlepper. Wie sich herausstellte, sollte ein Städtchen in der Nähe von Wien die Endhaltestelle sein. Doch die Barzanis wollten weiter, gaben nicht auf und kamen schließlich über Umwege Ende April in der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe an, ehe es etwa zwei Wochen später nach Feuerbach ging.

„Sie können wirklich glücklich sein, hier gelandet zu sein“, sagt Wolf-Dieter Dorn zu Familie Barzani. Dorn ist Mitglied des neu gegründeten Flüchtlingskreises im Bezirk und hat schon einen guten Draht zu der sympathischen Großfamilie aus Syrien. Er kümmert sich, organisiert, fragt nach – auch mit Händen und Füßen, wenn es nötig ist. Die Sprachbarrieren sind noch da. Deutsch- und Englischkenntnisse sind bei den Barzanis kaum vorhanden. Mittlerweile hat Dorn aber Kontakt zum Feuerbacher Abd-el-Rahman Majsoub aufgenommen. 48 Jahre lebt er schon im Bezirk und übersetzt nun, wann immer er kann.

Ein Zurück gibt es nicht

„Wir sind in Feuerbach sehr herzlich aufgenommen worden“, sagt Vater Jindar. „Wir sind sehr glücklich, nachdem wir den Krieg und die Raketen hinter uns gelassen haben. Wir fühlen uns in Sicherheit.“ Und auch die Integration macht schon Fortschritte. Zwei Kinder gehen mittlerweile in den Kindergarten. „Sie haben dort auch schon Freunde gefunden“, sagt Argani freudestrahlend. Kinder würden auch ohne Sprachkenntnisse schnell Anschluss finden. Jedoch hofft der Syrer, dass er und seine Familie so schnell wie möglich Deutsch lernen können. „Wir organisieren das gerade“, sagt Dorn. Zudem hoffen die Barzanis, dass sie auch bald arbeiten dürfen. „Wir sind es nicht gewohnt, herumzusitzen. Wir wollen dem deutschen Staat auch nicht auf der Tasche liegen“, sagt Argani. „Solange der Asylantrag aber noch nicht genehmigt ist, geht das nicht anders“, ergänzt Dorn.

Ihre Zukunft sehen die Barzanis in Feuerbach. „Ein Zurück in unser altes Leben gibt es nicht. Die Häuser, in denen wir gelebt haben, sind zerstört“, sagt Argani. Liebend gerne würden er und seine Familie im Bezirk bleiben. Ob das klappt, steht allerdings noch nicht fest. Ende August müssen die Barzanis auf jeden Fall erst einmal umziehen. Dann braucht die Stadt nämlich das Gebäude an der Leobener Straße wieder. „Wir versuchen aber alles, dass die Familie weiter in Feuerbach leben darf“, sagt Dorn.