Auch für Flüchtlingskinder gilt die Schulpflicht. Foto: dpa

Auch Flüchtlingskinder haben ein Recht darauf, in die Schule zu gehen. Der Vorschlag des Thüringer SPD-Chefs Andreas Bausewein, die Schulpflicht für Flüchtlinge auszusetzen, stößt im Südwesten auf Kritik.

Stuttgart - Der Vorschlag des Thüringer SPD-Chefs Andreas Bausewein stößt auch im Südwesten auf Kritik. Bausewein forderte jüngst, die Schulpflicht für Flüchtlingskinder, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, auszusetzen. Er begründete dies unter anderem damit, dass die Kapazitäten der Schulen ausgereizt seien.

„Jeder junge Mensch hat in Baden-Württemberg ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung“, heißt es dazu aus dem Kultusministerium. Die Schulpflicht für Flüchtlingskinder beginnt im Land sechs Monate nach ihrer Ankunft. Dadurch werde ihnen Zeit eingeräumt, sich im neuen Umfeld zu orientieren und die Fluchterlebnisse zu verarbeiten, erklärt das Ministerium. Wenn ein Kind schon früher in die Schule gehen möchte, sei das aber möglich. Normalerweise besuchen junge Flüchtlinge zuerst eine Vorbereitungsklasse, in der sie Deutsch lernen, bevor sie schließlich in eine reguläre Klasse integriert werden.

Bildungspolitische Bankrotterklärung

„Eine Aussetzung der Schulpflicht wäre abwegig und eine bildungspolitische Bankrotterklärung“, sagt Matthias Schneider, Landesgeschäftsführer und Pressesprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg. Die GEW betont, das Recht auf Schule sei ein Grundrecht, das jedem Kind ermöglicht werden müsse. Das erfordere jedoch zusätzliche Ressourcen: „Wir brauchen mehr Lehrerstellen und das dauerhaft. Die Flüchtlingszahlen steigen und etwa jeder fünfte Flüchtling ist im schulpflichtigen Alter“, so die Landesvorsitzende Doro Moritz.

In den Schuljahren 2014/15 und 2015/16 hat das Land nach Auskunft des Kultusministeriums 565 zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung gestellt. Die GEW bemängelt allerdings, dass speziell geschulte Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache fehlen. „Aufgrund der stark gestiegenen Zahl der Vorbereitungsklassen werden derzeit alle geeigneten, zur Verfügung stehenden Bewerber eingestellt und entsprechend nachqualifizert“, erklärt das Kultusministerium. Die Fortbildungsangebote seien dafür massiv ausgeweitet worden.

Trotzdem stellt der Unterricht in Flüchtlingsklassen die Lehrer vor Schwierigkeiten – nicht nur, weil viele verschiedene Sprachen aufeinandertreffen. „Das ständige Kommen und Gehen der Schüler ist eine Herausforderung für alle“, erklärte eine Stuttgarter Grundschullehrerin kürzlich Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Denn neue Flüchtlinge kommen das ganze Schuljahr über in Stuttgart an – gleichzeitig werden immer wieder Familien abgeschoben. Jedem Schüler gerecht zu werden, sei extrem schwierig.