Im Provisorium: In diesem Raum im Hauptbahnhof können Flüchtlinge zeitweise unterkommen Foto: Peter Petsch

Mal über die Autobahn, mal mit dem Zug: Die Polizei bekommt immer mehr Einblicke in die Wege der Schleuser, die scharenweise Flüchtlinge ins Land bringen. Bisher erwischt die Polizei aber nur die Kuriere, nicht die Hintermänner.

Mal über die Autobahn, mal mit dem Zug: Die Polizei bekommt immer mehr Einblicke in die Wege der Schleuser, die scharenweise Flüchtlinge ins Land bringen. Bisher erwischt die Polizei aber nur die Kuriere, nicht die Hintermänner.

Stuttgart - Wie kommt man vom Cannstatter Bahnhof nach Hamburg? Es ist reiner Zufall, dass das Oberhaupt einer geflüchteten syrischen Familie an eine Streife der Bundespolizei gerät. Der Mann ist natürlich illegal nach Deutschland gekommen. Doch wie kommt er hierher nach Bad Cannstatt? Die Beamten stellen eine entsprechende Frage und haben Glück: Der Syrer zeigt auf einen Transporter mit polnischem Kennzeichen. Wenig später ist der Schleuser dingfest gemacht: ein 26-jähriger Ukrainer.

„Man achtet natürlich nun verstärkt auf solche Fahrzeuge“, sagt Janna Küntzle von der Bundespolizei. Dabei ist es nicht immer ein Ukrainer in einem polnischen Fahrzeug. Auf der A 7 bei Ellwangen war es kürzlich ein Rumäne in einem Transporter mit Hamburger Kennzeichen, in einem anderen Fall ein Rumäne in einem Wagen mit italienischer Zulassung.

Die Schleuser ändern die Routen. Nachdem die Bundespolizei in den letzten Tagen und Wochen vermehrt Flüchtlinge am Stuttgarter Hauptbahnhof aufgreifen musste, weicht man offenbar auch mal an den Cannstatter Bahnhof aus. Ob sich der Kurier aber auch nur verfahren hat, bleibt vorerst offen. Der 26-jährige Ukrainer musste eine Sicherheitsleistung in Höhe der zu erwartenden Geldstrafe bezahlen, dann wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.

42 Flüchtlinge hat die Bundespolizei am Wochenende in Stuttgart und Ulm am Bahnsteig und in Zügen aufgegriffen. Die Menschen aus Syrien, Eritrea, Gambia, Ukraine, Palästina, Tunesien und Marokko äußerten Asylbegehren, wurden dann zur Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge nach Karlsruhe weitergeleitet.

In Stuttgart wurde, sozusagen als Wartesaal, in der alten Bahnhofspost eine Notunterkunft eingerichtet. Polizei, Bahnhofsmission, Rotes Kreuz und andere Hilfsorganisationen arbeiten zusammen. Offenbar hat der Druck auf den Hauptbahnhof etwas nachgelassen: „Derzeit gibt es nicht mehr die Großaufgriffe“, heißt es.

In der ersten Jahreshälfte 2014 kamen nach Angaben der Bundespolizei Stuttgart rund 5200 illegal Einreisende im Südwesten an – ein Anstieg von 240 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Zug sei dabei das Hauptverkehrsmittel der Flüchtlinge, gefolgt von Reisebussen und Transportern, so eine Behördensprecherin.

Nach dem Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in Heidelberg hat die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) einen Krisennotfallplan auf Bundesebene gefordert. „Wir brauchen ein abgestimmtes System, damit man solche Engpässe besser überbrücken kann.“

Wegen Überfüllung der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Karlsruhe wurden seit Freitag etwa 500 Flüchtlinge in eine ehemalige US-Kaserne nach Heidelberg gebracht. Die Ministerin erkundigte sich dabei nach den Bedingungen in dem Gebäude, in dem es nach längerem Leerstand noch kein Wasser gibt. „Das ist eine absolute Notsituation“, sagte Öney. „Im Moment geht es nur darum, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben.“