So wie hier in Hardheim sind in vielen ehemaligen Kasernen Flüchtlinge untergebracht Foto: dpa

Mühsam versuchen Naturschützer, auf früheren Militärgeländen die Biotope zu schützen. Seit dort Flüchtlinge wohnen, wird das aber schwieriger.

Schwetzingen - Die ehemalige Tompkins-Kaserne bei Schwetzingen ist für Naturschützer ein Juwel. Der Magerrasen in der Rheinebene ist nicht nur für US-Panzerfahrer ein ideales Gefilde, sondern auch für seltene Arten wie den Zwergschneckenklee oder die Kleine Felsennelke. Mühsam versuchen Naturschützer, das Biotop nach dem Abzug der Amerikaner zu erhalten. Doch seit auf dem Gelände Flüchtlingscontainer stehen, ist das schwierig.

„Im Sommer saßen die Menschen im Wald, das hat mich gefreut“, sagt der Landesvorsitzende des Nabu, André Baumann, der in Schwetzingen just um die Ecke wohnt. Er fügt aber hinzu: „Die Heidelerche ist halt vom Aussterben bedroht.“ Wenn jetzt weitere 1000 Asylbewerber in die Baracken einziehen, wie der Bund beschlossen hat, könnte die sensible Natur dann doch leiden.

Baumann weiß um den heiklen Interessenskonflikt, und er will Naturschutz auch gar nicht gegen Menschenschutz aufrechnen. Aber problematisch sei das schon in Schwetzingen und an anderen Militärstandorten, wo seit Jahrzehnten hinter Stacheldraht und Verbotsschildern seltene Arten gedeihen. Nun aber leben dort Menschen.

„Nicht mit erhobenem Zeigefinger“

Der Nabu wolle die Flüchtlinge um Gottes Willen „nicht mit erhobenem Zeigefinger“ an die strengen deutschen Regeln gewöhnen, beteuert der Biologe, gesteht aber: „Ich weiß noch nicht, wie das geht.“ Auch in Münsingen, Ellwangen oder Meßstetten gibt es ja solch wertvolle Gebiete – ohne Wege, aber mit viel Wegerich. Es sei ja schon schwierig genug, der ortsansässigen Bevölkerung zu erklären, warum man da nicht hinein trampeln darf. Baumann: „Naturschutzgebiete gelten für alle.“

Wie schnell eine solche Diskussion Schlagseite erhält, mussten in diesem Sommer Natur- und Vogelschützer im hessischen Altenstadt erfahren. Als sie in einem Brief an den Gemeindevorstand darum baten, ankommende Gäste rechtzeitig über Absperrungen, Brutzeiten und andere Regeln von Naturschutzgebieten zu informieren, wurden sie von der Politik rüde abgekanzelt. Es sei doch zynisch, wenn man sich angesichts der Not von Millionen Menschen darum sorge, dass brütende Vögel gestört werden, belehrte eine Landtagsabgeordnete die Absender.

Vielleicht gelingt es den Naturschützern ja, den einen oder anderen Flüchtling für ihre Arbeit zu gewinnen. Der Nabu-Landesvorstand hat sich das zumindest vorgenommen: „Wir werben um alle Menschen, die sich für Natur begeistern, auch um Asylbewerber“, sagt Landesvorsitzender Baumann. Einige Ortsverbände haben das auch schon mit Erfolg praktiziert.

Asylbewerber beim Mosten

So half kürzlich ein Dutzend Männer aus Gambia in Hechingen bei der Apfelernte und ließ sich in die Geheimnisse des Mostmachens einweisen. Auch in Horb schauten die Naturschützer im Asylbewerberheim vorbei und fragten, ob nicht ein paar junge, kräftige Männer beim Abmähen von acht Hektar Magerwiesen helfen wollten. Fünf Syrer wollten und wurden dafür nicht nur mit einem kräftigen Muskelkater belohnt, sondern auch mit dem Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun – auch wenn sie wahrscheinlich nicht wussten, was sich hinter dem Begriff Fauna-Flora-Habitat verbirgt. Doch welcher Deutsche weiß das schon? „Auch wir gehen auf Flüchtlinge zu, damit sie mal rauskommen“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch, die Landesgeschäftsführerin des Bund. Dabei gehe es aber weniger darum, einen hehren Naturschutzgedanken zu vermitteln, als um eine freundliche Geste.

Migranten wollen nicht wandern

So einfach ist es ohnehin nicht, das deutsche Naturschutzideal mal soeben zu verpflanzen. So berichtet Baumann von einer Wanderexkursion mit Flüchtlingen in mehreren Etappen. Sobald der erste schöne Rastplatz erreicht war, wollten die Migranten aber offenbar nicht mehr wandern, sondern lieber die Picknickdecke ausbreiten. „Die sagten, hier ist doch rundherum schöne Natur, warum müssen wir denn weiter?“ Mancher Nabu-Aktive tue sich damit noch schwer, bekennt der Landeschef.

Doch so neu ist die Erkenntnis nun auch wieder nicht, dass Menschen ganz unterschiedliche Bilder von Natur im Kopf haben – auch alteingesessene Baden-Württemberger. So verstand Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) partout nicht, warum die Nordschwarzwälder einen aufgeräumten Wald dem wilden Nationalpark vorziehen. Auch sie halten eben nichts von „Betreten verboten!“