Dinis arbeitet an der Rezeption des Hotels. Foto: Almut Siefert/StN

Für viele ist es die erste legale Arbeit seit Jahren: 22 Flüchtlinge haben im Magdas in Wien eine Stelle gefunden. Vor drei Monaten hat das Hotel eröffnet. Nach der ersten Euphorie stellt sich nun der Alltag ein. Mit allen Facetten.

Wien - 13 Jahre hat sie gewartet. Nun hat Maryam (39) Asyl in Österreich und ihre erste legale Arbeit. „Schreibt man Linsensuppe mit einem s oder mit einem z?“ fragt sie den Gast, der an seinem Cappuccino nippt, und schreibt dann das Tagesgericht des Cafés im Magdas Hotel in Wien auf die Kupfertafel. „Ist es so richtig?“ Maryam arbeitet an der Bar des Cafés, 40 Stunden die Woche, Vollzeit. Sie ist seit 2001 in Österreich, flüchtete aus Marokko, zunächst in die Türkei und dann weiter zu Fuß. „Das Schicksal hat mich hergebracht.“ Mehr möchte sie darüber nicht erzählen. Aber eines sagt sie ganz deutlich. „Diese Scheißbürokratie im Asylverfahren – das macht einen psychisch fertig.“

Maryam ist eine von 22 Flüchtlingen, die im Magdas Hotel eine Arbeit gefunden haben: An der Rezeption, in der Küche, als Reinigungskraft oder eben an der Bar in dem Café mit den schlicht- eleganten 1970er-Jahre-Möbeln direkt hinter der Rezeption. Die Porträts der Mitarbeiter begrüßen die Gäste direkt am Eingang des Hotels: Rechts neben der Tür hängt von jedem ein Foto, wie ein Familienalbum. Vor gut drei Monaten hat das Magdas seine Türen für seine Gäste geöffnet. In den 78 Zimmern, die seit der Eröffnung gut gebucht sind, hängt noch immer der Geruch frischer Farbe.

Die graue heruntergekommene Fassade des Hauses direkt am Wiener Prater steht im krassen Gegensatz zu dem bunten modernen Treiben im Inneren. In dem Gebäude wohnten früher Demenzkranke – es war ein Seniorenheim der Caritas. Die betreibt nun auch das Magdas. 1,5 Millionen Euro hat die Caritas Wien in den Umbau des Hauses investiert, weitere 60 000 Euro wurden über sogenanntes Crowd-Funding, also durch viele kleine Geldgeber, eingenommen.

Das Magdas erhält keine öffentliche Förderung. Es muss sich selbst tragen. „Die Budgeterwartungen gehen in die richtige Richtung“, bilanziert Hotelmanager Sebastiaan de Vos die ersten drei Monate. Das Hotel habe derzeit eine Auslastung von rund 50 Prozent. Doppelzimmer ohne Frühstück gibt es ab 70 Euro die Nacht.

Seine Mitarbeiter bezahlt de Vos nach dem Tourismuskollektiv, was in Österreich etwa den deutschen Tarifverträgen entspricht. „Das fängt je nach Abteilung und Erfahrung bei 1431 Euro brutto im Monat an, es gibt 14 Gehälter im Jahr und 25 Tage Urlaub.“ Bald ist das Magdas auch Ausbildungsbetrieb: Unter dem Dach des Magdas ist die WG „Nuri“ untergebracht. Hier leben 25 Jungen und Mädchen, sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, in einer betreuten Wohngemeinschaft zusammen. Im Herbst beginnen vier von ihnen im Hotel eine Ausbildung zum Restaurantfachmann.

Nach drei Monaten ist die erste Euphorie nach der Eröffnung verflogen, das Hotel und das Team müssen sich im Alltag beweisen.

„Die Zusammenarbeit ist schon manchmal schwer“, sagt Natalia Pszczolkowska. Sie leitet die Arbeit an der Rezeption und ist eine von derzeit neun in der Hotelbranche erfahrenen Mitarbeitern, die die Flüchtlinge in ihrer Arbeit unterstützen. „Ich dachte, die Mitarbeiter würden enger zusammenrücken – schließlich teilen sie alle die Erfahrung der Flucht aus ihrem Heimatland“, sagt Pszczolkowska. „Es gibt durchaus Probleme“, sagt auch de Vos. „Es sind nun mal 16 Nationen, die hier aufeinandertreffen, das sind 16 verschiedene Mentalitäten.“ Und unterschiedliche Sprachen. „Nicht jeder versteht gleich alles genau so, wie es der andere meint.“

Die Mitarbeiter selbst sehen das nicht so kritisch. „Wir kommen zwar alle aus anderen Ländern, aber wir haben doch alle im Grunde dieselbe Geschichte“, sagt Sarah (26), die an der Rezeption arbeitet. Und ihr Kollege Dinis (29) sagt: „Die Zusammenarbeit funktioniert wirklich gut.“ Das sei nicht selbstverständlich. Er spricht aus Erfahrung. Drei Jahre hat Dinis in einem Asylbewerberheim in Wien gelebt, wo das Zusammenleben unterschiedlichster Nationalitäten – milde ausgedrückt – nicht so reibungslos verlaufen sei. Der gelernte Bürokaufmann und Diplom-Rezeptionist ist vor elf Jahren nach Österreich gekommen. In seinem Heimatland Guinea-Bissau hatte er sich ranghohe Politiker zu Feinden gemacht. „Sie hätten mich sicher umgebracht“, sagt er. Auf einem Containerschiff ist Dinis nach Europa gekommen. Ursprünglich wollte er nach Schweden, dort hat er Familie. Doch Schlepper setzten ihn in den falschen Zug. Und so landete der junge Mann in Wien. Da war er 17 Jahre alt.

Seitdem hat Dinis versucht, in der Hotelbranche Fuß zu fassen, seinem Traumberuf. Schon mit 13 hat er an der Rezeption des Hotels eines Bekannten seiner Familie gearbeitet. Er spricht Französisch, Portugiesisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch, Englisch und Schwedisch. Dass er als Asylbewerber nicht arbeiten durfte, habe ihn fertig gemacht, sagt Dinis. „Ich will nicht, dass andere Menschen für mich sorgen. Aber als Flüchtling hast du keine andere Wahl.“ Zehn Jahre hat er auf den Bescheid gewartet. Um sich doch nützlich zu fühlen, hat er ehrenamtlich ältere Menschen betreut. Das macht er heute noch. „Die meisten hier sind einfach froh, dass sie endlich arbeiten dürfen. Auch das trägt zum Arbeitsklima bei“, sagt Dinis.

„Es macht Spaß zuzuschauen“, sagt Hotelmanager de Vos. Die Mitarbeiter würden von Tag zu Tag besser, sie lernen immer etwas Neues dazu. „Und man merkt, dass sie dadurch selbstbewusster werden in ihrem Auftreten“, so de Vos. „In den ersten Wochen hatten viele noch den Kopf unten und trauten sich nicht, mit dem Gast zu agieren.“ Das habe sich grundlegend geändert.

„Dass hier Flüchtlinge arbeiten, haben wir gar nicht gewusst“, sagt Jeanette. Die 26-jährige Software-Entwicklerin und ihr Freund Daniel haben das Hotel auf einer der üblichen Buchungsseiten im Internet gefunden. „Der Preis hat gestimmt, und es sah neu und modern aus“, sagt sie. Auch die Lage direkt am Prater habe sie überzeugt. Als sie dann erfahren hat, was hinter dem Hotel steckt, habe sie sich noch mehr auf das Wochenende in Wien gefreut. „Man merkt schon, dass es hier anders ist als in anderen Hotels“, sagt Jeanette beim Frühstück. „Es ist irgendwie lockerer und offener.“

Nicht nur die Übernachtungsgäste, auch Nachbarn kommen gerne ins Magdas, um zu frühstücken, Kaffee zu trinken oder um ein wenig mit den Mitarbeitern zu plaudern. Neben Skepsis überwog schnell die Neugierde, erzählt Natalia Pszczolkowska. Was natürlich positiv ist. „Aber es ist manchmal auch nicht einfach für unsere Mitarbeiter“, so die Rezeptionistin. „Sie werden durch die Neugierde der Gäste immer wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.“ Viele kommen einfach vorbei, um sich umzusehen. „Die Leute lieben Flüchtlinge“, sagt Maryam.

Das Projekt in Wien, das zunächst auf fünf Jahre ausgelegt ist, findet Nachahmer. Im Zillertal beispielsweise ist bereits ein Hotel gefunden, mehr wollen die Verantwortlichen dort noch nicht verraten. Und auch die Mitglieder des Integrationsausschusses Baden-Württemberg waren kürzlich im Magdas und haben sich das Konzept genau angesehen. Katrin Schütz (CDU) ist restlos begeistert und hofft, dass es so etwas auch bald in Baden-Württemberg gibt. „Im Magdas wird das Ziel verfolgt, soziale Probleme mit wirtschaftlichen Ansätzen zu lösen“, sagt sie. Ein richtiger Ansatz.

Dinis bringt seine Situation in einfachen Worten auf den Punkt. „Ich will nicht nur Flüchtling sein“, sagt er. „Wenn ich schon hier bin, will ich auch einen Schritt nach vorne machen.“ Diejenigen, die im Magdas arbeiten, seien Vorbilder für andere Flüchtlinge, sagt Dinis. „Und das Hotel ist eins für andere Unternehmen.“

www.magdas-hotel.at