Auch die Sporthalle der Raichberg-Realschule wird mit Flüchtlingen belegt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In der Landeshauptstadt werden erstmals auch Schulsporthallen für Flüchtlinge genutzt. Schüler und Vereine sind davon betroffen. Bis zum Ende des Jahres könnte die Zahl der Flüchtlinge von jetzt 6200 auf rund 9200 steigen, sagt Bürgermeister Michael Föll (CDU).

Stuttgart - In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz haben Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) und Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) am Donnerstag die Nutzung von zunächst fünf Schulturn- und Versammlungshallen bekannt gegeben. Bereits ab Dienstag kommender Woche sollen so in Hedelfingen, Obertürkheim, Weilimdorf, Birkach und dem Osten bis zu 670 Flüchtlinge unterkommen. In den Hallen werden Stockbetten und Stellwände aufgebaut. Ein Sicherheitsdienst führt rund um die Uhr die Aufsicht. Ihn gibt es mit Ausnahme des Bürgerhospitals in den bisherigen Unterkünften nicht.

„Wir sehen keine andere Möglichkeit mehr, im Vergleich zu anderen Städten sind wir mit den Hallen spät dran“, sagt Fezer. Der Stuttgarter Weg, auf Massenlager zu verzichten, werde weiter beschritten. Die Hallen sollen aber nicht nur für wenige Monate belegt bleiben. Ein Umzug in 2016 fertig werdende Systembauten sei nicht geplant, auch weil sich am Ort Freundeskreise bildeten, die die Flüchtlinge unterstützten und damit eine soziale Struktur entsteht. „Ich kann nicht sagen, dass die Flüchtlinge im März wieder aus den Hallen sind“, so Föll. Im Dezember will die Stadt auch die Halle 2 im Neckarpark bei der Schleyerhalle wieder mit 350 Flüchtlingen belegen.

Aktuell stellt die Stadt 6161 Plätze zur Verfügung, dazu kommen die 670 in Hallen. Bis Jahresende könnten im Extremfall insgesamt bis zu 9200 Flüchtlinge untergebracht werden müssen, sagt Föll – wenn die hohe Zuweisung des Landes anhalte. Eine Prognose will er nicht abgeben: „Auch die Kanzlerin weiß die Zugangs- und Zuweisungszahlen nicht.“ Die Verwaltung hat weitere Hallen auf ihre Eignung geprüft. Sporthallen bieten sich laut Fezer besonders an, weil hier Duschen vorhanden seien. Im Einzelfall müsse die Infrastruktur um Sanitärcontainer ergänzt werden.

Gebäude in Leichtbauweise werden geprüft

Als Alternative prüft die Verwaltung laut Föll „mit Hochdruck, ob wir mit Gebäuden in Leichtbauweise kurzfristig Plätze schaffen können“. Die Leichtbauten könnten einen zeltähnlichen Charakter haben, wären aber winterfest. Die Frage sei vor allem, ob derartige Bauten schnell geliefert werden könnten. Natürlich müssten wie bei den zunächst auf fünf Jahre ausgelegten Systembauten auf städtischen Flächen auch Baurecht vorhanden sein.

Neben der Eignung der Hallen seien bei der jetzigen Auswahl Stadtteile mit bisher wenigen Flüchtlingen gewählt worden. Fezer räumt ein, dass die Unterbringung der Menschen mit der Nutzung von Sporthallen eine „qualitative Veränderung“ erfahre. In einer großen, dreiteiligen Sporthalle wie in Weilimdorf haben die Flüchtlinge wenige Rückzugsmöglichkeiten. Selbst kochen wie in den Systembauten dürfen sie nicht, das Essen wird geliefert. Bei 80 (Alfred-Wais-Halle in Birkach) bis 270 Personen (Weilimdorf) entstehe dennoch kein Massenlager. Fezer und Föll betonten die rechtliche, „aber auch humanitäre Verpflichtung“ zur Hilfe.

„Wir wissen, dass es Befürchtungen und Bedenken in der Bevölkerung und die Frage gibt, wie wir das schaffen sollen“, sagt Fezer, „aber wir sind eine gut organisierte Verwaltung.“

Die Leiter der betroffenen Schulen waren um 16 Uhr von der Belegung informiert worden. Sie wussten durch vorherige Begehungen, was kommen könnte. „Wir wissen, dass es Beeinträchtigungen für die Schulen und die Sportvereine geben wird, wir können nicht in jedem Fall eine Kompensation schaffen“, sagt der Finanzbürgermeister. Er bitte die Bürger um Verständnis, man sei in einer Notsituation ähnlich wie in den 90er Jahren.