Da war die Welt noch in Ordnung für Bubacar Marone (Mitte): Der Weg aus der Wurstküche der Hoppenlauschule hat ihn vor zwei Jahren zur Metzgerei Schrotter geführt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Flüchtlinge sollen sich möglichst schnell integrieren und arbeiten. Doch trotz geänderter Gesetzeslage lauern bei einer Ausbildung ungeahnte Fallstricke für Lehrlinge und Betriebe.

Stuttgart - Es ist noch nicht lange her, da galt Bubacar Marone als Musterbeispiel. Ein Foto, das den jungen Mann aus Gambia in der Wurstküche der Gewerblichen Schule im Hoppenlau zeigt, hat es vor knapp zwei Jahren in diverse Medien geschafft. Der Grund: Marone, damals 19 Jahre alt, hatte über eine Spezialklasse für jugendliche Flüchtlinge an der Berufsschule einen Ausbildungsplatz als Metzger bekommen. In einer Branche, die verzweifelt Nachwuchs sucht und nicht findet.

Zwei Jahre später erzählt Marone am Telefon von seiner Lage. Er ist gerade unterwegs, besucht Bekannte, um sich die Zeit zu vertreiben. Denn arbeiten darf er nicht mehr. „Ich würde sofort wieder anfangen, wenn ich könnte“, sagt er. Stattdessen verbringt er seine Zeit mit Warten, mit Gerichtsterminen und Besuchen auf der Ausländerbehörde. „Wenn mein Chef mich braucht, komme ich“, sagt Marone fast trotzig.

Sein Chef, das ist Sebastian Schrotter von der gleichnamigen Metzgerei im Stuttgarter Osten. Und der würde seinen Ex-Azubi mit Freuden zurücknehmen. Doch auch er darf nicht. „Ende November vergangenes Jahr habe ich ein Fax vom Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe bekommen, einen Dreizeiler“, erinnert er sich und schüttelt ungläubig den Kopf. Darin stand, dass Marone sofort seine Ausbildung abbrechen müsse. Mitten im zweiten Lehrjahr. „Bubacar ist einer, der schaffen will. Einer der besten Lehrlinge, die wir je hatten. Er war komplett niedergeschlagen, als er am nächsten Tag nichts ahnend zur Arbeit kam und ich ihn wegschicken musste“, sagt Schrotter. Auch für den Betrieb sei das „eine Katastrophe“. Man habe viel Geld in die Ausbildung gesteckt, denn man finde sonst kaum noch Nachwuchs. Und menschlich sei so etwas in einem Familienbetrieb furchtbar. „Das ist komplett widersinnig“, sagt Schrotter.

Ausbildung schützt nicht grundsätzlich vor Abschiebung

Der Grund: Offenbar ist Marone nur noch geduldet. Er darf damit eigentlich nicht mehr arbeiten und auch keine Ausbildung beenden. „Ausbildung schützt nicht automatisch vor Abschiebung“, heißt es im RP Karlsruhe. Wer geduldet werde, sei grundsätzlich ausreisepflichtig. Allerdings gebe es seit kurzem im neuen Integrationsgesetz eine Ausnahmeklausel. Wenn die zuständige Ausländerbehörde beantrage, eine Abschiebung wegen laufender Ausbildung auszusetzen, „prüfen wir den Einzelfall“. In Marones Fall führt das offenbar zu monatelangen juristischen Auseinandersetzungen.

Damit ist er kein Einzelfall. An der Hoppenlau-Schule gibt es inzwischen drei sogenannte Vabo-Klassen. Die Abkürzung steht für „Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf für Menschen ohne Deutschkenntnisse“. 27 solche Klassen gibt es inzwischen an neun beruflichen Schulen in Stuttgart, 400 jugendliche Flüchtlinge besuchen sie. Sie machen dort einen Sprachkurs und Praktika in Betrieben, um gezielt auf eine Berufsausbildung vorbereitet zu werden. Diverse von ihnen sind auf diesem Weg bereits an eine Lehrstelle gekommen.

Doch es tauchen Probleme auf. „Allein in unseren drei Vabo- und zwei Integrationsklassen mit ihren 70 Schülern haben wir bestimmt zehn Fälle“, sagt Petra Hanser-Cichos von der Berufsgruppe Fleischer. Entweder könnten Flüchtlinge Ausbildungsplätze gar nicht erst antreten, weil die Ausländerbehörden vor allem um Stuttgart herum beliebig Hürden einbauten oder sie müssten die Lehre abbrechen, weil der Asylantrag abgelehnt wird. „Die Leute sind dann immer noch hier, dürfen aber nicht mehr arbeiten, obwohl die Ausbildung ursprünglich genehmigt worden ist. Die leben dann vom Steuerzahler statt von ihrer Ausbildungsvergütung“, sagt Hanser-Cichos. Außerdem habe man den Eindruck, dass das Vorgehen von Behörde zu Behörde unterschiedlich sei: „Das ist totale Willkür.“

Kritik auch vom Sozialbürgermeister

Diesen Eindruck wird auch Stuttgarts Sozialbürgermeister Werner Wölfle nicht los. Das Vorgehen im RP Karlsruhe hänge seiner Erfahrung nach „auch von der jeweils aktuellen öffentlichen Diskussion zum Thema Flüchtlinge ab“. Man sei ständig mit solchen Fällen beschäftigt: „Es gibt viele davon.“ Verstehen kann auch Wölfle einen erzwungenen Ausbildungsabbruch nicht, selbst wenn der Betroffene vielleicht nicht dauerhaft in Deutschland bleiben kann: „Wir haben großen Azubimangel. Und ein Arbeitsverbot ist das Gegenteil von Integration.“

Bubacar wartet jetzt auf Nachricht von seinem Rechtsanwalt. Ganz aufgegeben hat er die Hoffnung noch nicht, dass aus dem Musterbeispiel doch kein Trauerspiel wird.