In diesem Haus an der Böblinger Straße leben Flüchtlinge. Viele Bürger wollen ihnen beim Einleben in Steinenbronn helfen. Foto: Malte Klein

Benjamin Richter vom Deutschen Roten Kreuz hat gesehen, wie wenig Flüchtlinge in Steinenbronn haben. Er schenkte ihnen Kleidung und initiierte einen Arbeitskreis.

Steinenbronn - Benjamin Richter ist als Helfer im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes Steinenbronn einiges gewohnt. Doch ein Einsatz wegen eines kranken Kindes in einer Flüchtlingsunterkunft der Gemeinde hat ihn schockiert, wie er sagt. „Mir war in meiner dicken Kluft richtig kalt in der Wohnung. Die drei Kinder der Familie hatten jedoch nur kurze Hosen an.“ Sie hätten keine langen Hosen gehabt und die Heizung sei ausgefallen. Richter ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. „Es war nicht eingerichtet und die Kinder hatten keine Spielsachen.“

Als Richter das kranke Kind versorgt hatte, beschäftigte ihn die Familie weiter. „Ich hatte so etwas noch nie gesehen.“ Richter wandte sich an den Ordnungsamtsleiter Simon Römmich. Der widmete sich an seinem ersten Arbeitstag nach der Elternzeit sofort dem von Richter gesehenen Zustand und ließ die Heizung reparieren.

Kinder weinen vor Freude über Spielsachen

Zusätzlich kümmerte sich Richter selbst. „Ich habe zwei Kinder. Meine Frau und ich haben der Familie Spielsachen und Kleidung von unseren Kindern geschenkt.“ Dafür spürte er eine enorme Dankbarkeit. „Die Kinder haben uns die Spielsachen förmlich aus der Hand gerissen und vor Freude geweint“, sagt Richter. In einer Sitzung des Verwaltungs- und Sozialausschusses berichtete er von seinem Erlebnis.

Das führte dazu, dass sich der Arbeitskreis Flüchtlinge im Juni in der Gemeinde gegründet hat, um den aktuell 15 Personen zu helfen. Derzeit muss die Gemeinde neun Flüchtlinge im Jahr aufnehmen. Für 2016 rechnet Römmich auf jeden Fall mit mehr Flüchtlingen.

Die Hemmschwelle überwinden

Im Arbeitskreis wollen sich auch die Gemeinderätinnen Gitta Obst (Freie Wähler) und Antje Lindemeyer (SPD) engagieren. Beiden liegt die Flüchtlingsarbeit besonders am Herzen. Lindemeyer ist nämlich Vormund für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge beim Landkreis Böblingen. Obst hat sich schon in den 90er-Jahren im damaligen Arbeitskreis Asyl engagiert. Sie brachte Flüchtlingskindern die deutsche Sprache bei und betreute sie bei den Hausaufgaben. Andere gingen mit Flüchtlingen zum Arzt. „Wir wollten ihnen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind“, sagt Obst. Das soll der jetzige Arbeitskreis auch vermitteln. „Es werden allgemein in Deutschland Ängste vor Flüchtlingen geschürt. Darum ist es wichtig, dass Bürger ihre Hemmschwelle überwinden und auf die Leute zugehen“, sagt Lindemeyer. Auch sie hat gemerkt, wie dankbar Flüchtlinge für jede Hilfe sind.

Wie der Arbeitskreis Flüchtlinge in Steinenbronn organisiert sein wird und wer ihn dann leitet, wissen die Lokalpolitikerinnen allerdings noch nicht. Bürgermeister Johann Singer kündigte im Juni an, dass er sich noch vor den Ferien mit den örtlichen Kirchenvertretern dazu austauschen möchte. Auf Nachfrage sagte Singer, dass Gespräche stattgefunden haben. Über deren Inhalt wollte er sich nicht äußern, weil es dabei auch um Personalangelegenheiten gegangen sei. Nur so viel: Im Oktober werde es ein Treffen zwischen Asylbewerbern und Ehrenamtlichen geben. Das ist dann mehr als drei Monate nach dem Gründungstermin des Arbeitskreises. Lindemeyer ist es wichtig, dass das Gremium nicht einschläft, bevor es mit der Arbeit begonnen hat. Im Juni hatten sich nämlich viele Bürger gemeldet, die helfen möchten.

Evangelische Kirche will sich beteiligen

Beim Treffen war auch ein halbes Dutzend Aktiver aus der evangelischen Gemeinde in Steinenbronn. Pfarrer Marc Stippich sagt, dass sie sich Gedanken über die Form der Hilfe gemacht haben „Im Kirchengemeinderat haben wir überlegt, zwei Kontaktpersonen zu suchen, die im Arbeitskreis mitdenken und dann schauen, was wir für die Flüchtlinge anbieten können.“ Der katholische Pfarrer Anton Feil ist im Urlaub und für eine Auskunft nicht erreichbar.

Thomas Oßwald, Gemeindeevangelist der Neuapostolischen Kirche, will sich nach seinem Urlaub mit der Verwaltung austauschen. Er kann sich vorstellen, dass sich Mitglieder der Gemeinde in den Arbeitskreis einbringen. „Wir müssen schauen, in welchem Rahmen wir Hilfe leisten können.“ Schließlich sei die gesamte Gemeindearbeit ehrenamtlich. Eines ist Oßwald wichtig. „Wir als Neuapostolische Kirche helfen nicht, weil wir Mitglieder werben wollen, sondern wir tun das aus Nächstenliebe.“ Als Herausforderung sieht Oßwald die Erfahrungen der Asylbewerber auf ihrer Flucht. „Viele haben kein Vertrauen mehr zu anderen Menschen.“

Flüchtlinge integrieren sich

Gitta Obst weiß, dass einige der Flüchtlinge von damals in Steinenbronn geblieben sind. „Sie sind heute so integriert, dass niemand mehr weiß, dass sie Flüchtlinge waren“, sagt die Gemeinderätin.