Zwei Freunde, die sich im Plieninger Heim gefunden haben: Ismaila Barry (links) und Nfally Njie stammen aus Gambia. Foto: Cedric Rehman

Ismalila Barry und Nfally Njie leben seit einigen Wochen in Plieningen in der neuen Flüchtlingsunterkunft. Sie fühlen sich wohl und sind beeindruckt von der freundlichen Aufnahme im Bezirk.

Plieningen - Morgens nach dem Aufstehen schnürt Ismaila Barry erst einmal seine Turnschuhe. Dann verlässt er das Flüchtlingsheim, joggt in Richtung der Bahngleise, bevor er dann auf den Wollgrasweg abbiegt. Die Felder rechts, links die Hochhäuser des Asemwalds und der Flughafen in der Ferne, dann der Wald mit seinen Laubbäumen: Alles ist anders als in Barrys Heimat Gambia. Nichts ähnelt dem, was Barry aus dem Land kennt, in dem er geboren wurde. Im Laufschritt erkundet der Gambier beim Joggen sein neues Umfeld. Scherzhaft meint er, Plieningen liege ja im Busch.

Denn, obwohl Plieningen zur Großstadt Stuttgart gehört, ist es doch von Natur umgeben. Das gefällt Barry. Plieningen ist eben ein ländlicher und ruhiger Teil der Stadt. Ein Ort, an dem Menschen sich sicher fühlen könnten, sagt Barry. Er könnte das Wort „endlich“ hinzufügen. Denn in den vergangen Jahren hielt er sich auf der Flucht aus Gambia in Ländern wie Mali oder Libyen auf, Länder, die von Bürgerkriegen erschüttert werden.

Sprachschule am Vormittag

Beim Joggen bekomme er den Kopf frei, sagt der 19-Jährige. Später am Vormittag braucht er den, denn dann lernt er Deutsch an einer Sprachschule. Beim Mittagessen trifft Ismaila Barry dann seinen Freund Nfally Njie, 22 Jahre alt. Auch er ist ein begeisterter Sportler. In Gambia hat er auf der High School Fußball gespielt. Dann kam die Flucht, und für Njie ist es ein kleines Wunder, dass er schon nach wenigen Wochen in Deutschland wieder dem Ball auf dem grünen Rasen nachjagen kann.

Der TV Plieningen hat ihn aufgenommen, nachdem Njie gegenüber einer Sozialarbeiterin im Heim fallen ließ, dass er das Fußballspielen vermisse. Jetzt trainiert der Mittelfeldspieler mit anderen Plieningern, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass er demnächst zu den Stürmern wechselt. „Der Trainer hat beobachtet, dass ich den Ball ziemlich kraftvoll kicke“, sagt der 22-Jährige. Nfally Njie spricht noch kein Deutsch, nur Englisch. Das wiederum sprechen nicht alle im Verein. Die Kommunikation funktioniere dennoch, sagt Njie. „Mal ein Brocken Deutsch, mal ein paar Brocken Englisch, mal mit Hand und Fuß“, sagt er. Und überhaupt, Fußball sei nun mal eine Sprache für sich. „Da macht es keinen Unterschied, ob du Deutscher bist oder aus Gambia kommst“, sagt er. Dem Afrikaner gefällt, dass viele Nationalitäten in dem Verein gemeinsam spielen. Deutschland sei ein sehr offenes Land, sagt er. „Hier leben gute Menschen“, sagt er. Sein Freund, Ismaila Barry, nickt.

Dankbar für die Gastfreundschaft

Beide waren gerührt, als kurz nach ihrer Ankunft in der Unterkunft die Plieninger zu Besuch gekommen sind. Sie hätten Kleidung verteilt an die Flüchtlinge, von denen viele kaum noch etwas Eigenes zum Anziehen besitzen. Nfally Njie bemüht sich um den richtigen Ton, um seine Gefühle auszudrücken, und was er sagt, klingt eine Spur pathetisch: „Ich möchte mich zutiefst bedanken bei den Plieningern für ihre Gastfreundschaft. Ich hoffe, wir können etwas davon zurückgeben“, sagt er.

Sein Blick schweift hinaus in den Garten, den die Flüchtlinge anlegen sollen. Er soll schön werden, sagt er. Damit sich auch die Menschen aus Plieningen daran freuen können, sagt er. „Für uns ist es natürlich auch gut, denn vielleicht können wir Gemüse anbauen und etwas Geld sparen“, sagt er. Die üblichen Preise für Lebensmittel hat Barry sich bereits eingeprägt. Er weiß, dass er gut haushalten muss, um mit seinen Mitteln bis zum Monatsende auszukommen. Die 15 Gambier im Heim haben sich zu einer Kochgemeinschaft zusammengeschlossen. Aber allein ums Kochen gehe es dabei nicht. „Wir sind alle in einer ähnlichen Situation und aus den gleichen Gründen hier. Wir versuchen, uns zu unterstützen“, sagt Ismaila Barry.

Grübeln am Nachmittag

Gerade am Nachmittag, wenn der Deutschkurs vorbei, das Essen gekocht und das gemeinsame Speisen beendet ist, beginnt eine schwierige Zeit für die jungen Männer. Nfally Njie benutzt für sie ein englisches Wort, das eigentlich etwas Angenehmes beschreibt: „Relaxing“. Es meint aber die Stunden, in denen die Flüchtlinge nichts zu tun haben. Für die meisten ist es eine Zeit des bangen Wartens, der Grübeleien über eine ungewisse Zukunft und der Erinnerungen an eine schmerzvolle Vergangenheit. Die beiden jungen Gambier verraten wenig über das, was sie in ihrem Heimatland und auf der Flucht erlebt haben. Ihre Asylverfahren laufen gerade, da ist diese Vorsicht verständlich.

Ihr Heimatland ist im eisernen Griff eines Mannes, der sich 1994 an die Macht geputscht hat. Präsident Yahya Jammeh gilt als einer der berüchtigtsten Diktatoren Afrikas. Die beiden jungen Gambier lässt die Heimat trotz ihrer Flucht nicht los. Das Einzige, was sie vermissen würden, seien Nachrichten über die Lage in Gambia. Internetanschluss oder Satellitenfernsehen gibt es ja nicht im Flüchtlingsheim. „Wir fühlen uns etwas abgeschnitten, weil wir nicht mehr wissen, was in Gambia passiert“, sagt Nfally Njie. Mehr als einmal im Monat sei ein Gespräch mit der Familie nicht möglich, berichten die jungen Männer. „Das ist sehr teuer“, sagt Ismaila Barry. Wenn die jungen Männer nachmittags im Heim allein sind, denken sie auch an die, die sie zurückgelassen haben. „Deshalb ist es gut, dass wir eine Gruppe sind. Falls einer mal schlecht drauf ist“, sagt Njie.